Florian Enzensberger, Maximilian Maar
Rz. 10
Es drängt sich an dieser Stelle die Frage auf, ob der überlebende Elternteil als allgemein Vertretungsberechtigter i.S.d. § 1629 Abs. 1 BGB trotz Entzug der Vermögenssorge nach § 1638 BGB berechtigt ist, das Erbe für das minderjährige Kind auszuschlagen. In der Literatur werden hierzu im Wesentlichen zwei Meinungen vertreten:
Nach einer Auffassung soll der Elternteil, dem das Verwaltungsrecht nach § 1638 BGB entzogen wurde, kein Recht haben, das Erbe des minderjährigen Kindes auszuschlagen. Begründet wird diese Ansicht mit einem "Erst-Recht-Rückschluss". Wenn der Elternteil schon von der Verwaltung des ererbten Vermögens ausgeschlossen ist, dann müsse dies erst recht für die Entscheidung über die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft gelten. Der Nachlass fällt dem Erben mit Eintritt des Todes an und verbleibt dort mindestens bis zur Ausschlagung. Folglich falle die Entscheidung über die Annahme oder die Ausschlagung der Erbschaft ebenfalls unter die Bestimmung des Verwaltungsentzugs.
Rz. 11
Eine andere Meinung, die in der Rechtsprechung und der Literatur vertreten wurde, geht dagegen davon aus, dass der Elternteil, der generell das Sorgerecht besitzt, von der Vertretung des Kindes bei der Frage der Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft nicht ausgeschlossen werden kann. Der überlebende Elternteil sei hier als Vertreter des minderjährigen Kindes tätig und nicht als Vermögensverwalter. Die Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft seien zwar von vermögensrechtlicher Bedeutung, beträfen aber im Wesentlichen ein persönliches Recht des Erben. Frohnmayer argumentiert ferner damit, dass die höchstpersönliche Entscheidung des Erben, ob er die Erbschaft annimmt oder ausschlägt in § 83 Abs. 1 S. 1 InsO vor die Vermögensinteressen der Gläubiger gestellt wird. Hierdurch habe der Gesetzgeber den höchstpersönlichen Charakter einer Erbschaftsausschlagung anerkannt. Somit handle es sich bei der Erbschaftsausschlagung für ein minderjähriges Kind um einen Akt der Personensorge, der von § 1638 BGB nicht berührt wird.
Sofern teilweise auch mit den Interessen des Erblassers argumentiert wird, kann dies dahinstehen. Der sorgeberechtigte Elternteil bedarf nämlich zur Ausschlagung der Genehmigung des Familiengerichts gemäß § 1643 BGB. Es besteht also eine gerichtliche Kontrolle. Bei der Genehmigung durch das Familiengericht stehen allein die Interessen des Kindes im Vordergrund.
Der BGH hat dazu 2016 entschieden und sich der bis dato wohl als Mindermeinung zu bezeichnenden ersten Ansicht angeschlossen. Den Eltern ist im Fall des Ausschlusses der Vermögenssorge gem. § 1639 Abs. 1 BGB auch die gesetzliche Vertretung des Kindes bei der Ausschlagung der Erbschaft verwehrt. Denn das Ausschlagungsrecht ist wie die Erbschaft vermögensrechtlicher Natur. Die Rechtsnatur des Ausschlagungsrechts widerspräche einer Zuordnung der Ausschlagung einer Erbschaft zur Personensorge. Weiter sei gesetzliche Folge einer Beschränkung der elterlichen Sorge, dass die Vermögenssorge einschließlich der gesetzlichen Vertretung für das von Todes wegen erworbene Vermögen insgesamt ausgeschlossen sei. Dieser Tatsache stünde auch der Wortlaut des § 1638 Abs. 1 BGB nicht entgegen, der von der Verwaltung des Vermögens spricht. Abschließend wies der BGH darauf hin, dass die familiengerichtliche Genehmigung der Ausschlagung den Mangel der Vertretungsmacht nicht heilen kann. Trotz der Entscheidung des BGH ist der Meinungsstreit noch nicht beigelegt.