Rz. 27
Erbschaftsverträge sind jedoch nach Maßgabe des § 311b Abs. 5 BGB zulässig, wenn der Vertrag unter den künftigen gesetzlichen Erben über den gesetzlichen Erbteil eines von ihnen geschlossen wird. Ein solcher Vertrag bedarf gem. § 311b Abs. 5 S. 2 BGB der notariellen Beurkundung.
Rz. 28
Die Ausnahme des § 311b Abs. 5 BGB greift jedoch nur dann ein, wenn alle Vertragschließenden – abstrakt betrachtet – künftige gesetzliche Erben desjenigen sind, auf dessen Nachlass sich der Vertrag bezieht. Das bedeutet, dass die Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses künftige gesetzliche Erben sein müssen. Dabei ist nicht erforderlich, dass sie die nächsten gesetzlichen Erben des künftigen Erblassers sind. Auch in der gesetzlichen Erbfolge weiter entfernte Personen, die aktuell durch vorrangige gesetzliche Erben ausgeschlossen wären, sind gesetzliche Erben. Im vorliegenden Fall sind in diesem Sinne sowohl der S als auch seine drei Kinder potentielle gesetzliche Erben der M. Dass die drei Kinder des S durch diesen nach § 1924 Abs. 2 BGB von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen wären, macht die Kinder des S nicht zu ungeeigneten Vertragspartnern i.S.v. § 311b Abs. 5 BGB. Es ist nicht Voraussetzung des § 311b Abs. 5 BGB, dass nach dem Erbfall letztlich alle Vertragspartner (gesetzliche oder testamentarische) Erben werden. Dies ergibt sich schon aus § 311b Abs. 5 S. 1 Var. 2 BGB, der auch Verträge über den Pflichtteil eines geeigneten Vertragspartners zulässt. Die konkrete Pflichtteilsberechtigung setzt nach § 2303 Abs. 1 S. 1 BGB eine testamentarische Enterbung voraus. Im Ergebnis sind daher sowohl der S als auch dessen drei Kinder durch § 311b Abs. 5 BGB zulässige Parteien eines Erbschaftsvertrages.
Rz. 29
Ausweislich des Wortlauts bezieht sich § 311b Abs. 5 BGB auf einen Vertrag "über den gesetzlichen Erbteil oder den Pflichtteil". Er erfasst aber auch alle anderen Rechtsgeschäfte, die im weitesten Sinne den Nachlass betreffen. Dazu zählen nach allgemeiner Ansicht bspw. Auseinandersetzungsvereinbarungen zwischen künftigen gesetzlichen Erben. Nach BGH kann ein Erbschaftsvertrag auch über einen testamentarischen Erbteil gem. § 311b Abs. 5 BGB zulässig sein. Nach dieser Rechtsprechung kommt es nicht darauf an, ob ein Erbteil kraft Gesetzes oder kraft testamentarischer Erbfolge erlangt wird. Das Merkmal des gesetzlichen Erbteils sei lediglich als quantitative Beschränkung zu verstehen. § 311b Abs. 5 BGB sei demnach bis zur Höhe des gesetzlichen Erbteils auch auf Verträge über testamentarische Erbteile anwendbar.
Rz. 30
Im vorliegenden Fall geht es um den testamentarischen Erbteil des S in Höhe von einem Drittel am künftigen Nachlass der Mutter M. Dieser entspricht der Höhe nach seinem gesetzlichen Erbteil, wenn gesetzliche Erbfolge nach M eintreten würde (§ 1924 Abs. 1, 4 BGB). Die nach der Rechtsprechung in § 311b Abs. 5 S. 1 BGB zu erblickende quantitative Begrenzung ist hier also eingehalten. Allerdings lässt § 311b Abs. 5 BGB lediglich schuldrechtlich wirkende Verträge zu. Eine dinglich wirkende, bereits jetzt zu vereinbarende und mit dem Erbfall automatisch wirksam werdende antizipierte Abtretung des gesetzlichen (oder des testamentarischen) Erbteils ist nach dem Standpunkt der h.M. nicht möglich. Verfügungsgeschäfte über den Nachlass eines Dritten sind vor dessen Tod grundsätzlich unwirksam. Eine Vereinbarung, wonach der S seinen Kindern seinen künftigen Erbteil am Nachlass der Mutter überträgt und diese Übertragung mit dem Erbfall automatisch wirksam werden würde, ist wegen der Nichtzulassung von Verfügungsgeschäften durch § 311b Abs. 5 BGB also nicht möglich. Begründbar und durch § 311b Abs. 5 BGB zugelassen ist allein eine schuldrechtliche Verpflichtung, wonach der S seinen Erbteil am Nachlass seiner Mutter nach Eintritt des Erbfalls an seine Kinder zu gleichen Teilen zu übertragen hat. Das entsprechende Vollzugsgeschäft (Erbteilsübertragung nach § 2033 BGB) ist damit zwingend erst nach dem Erbfall möglich. Mit der Klarstellung, dass zu Lebzeiten der Mutter lediglich eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Erbteilsübertragung begründet werden kann, wäre die beabsichtigte Vereinbarung mit § 311b Abs. 5 BGB vereinbar.