Rz. 19
Nach seinem Wortlaut bezieht sich § 311b Abs. 5 BGB auf einen Vertrag "über den gesetzlichen Erbteil oder den Pflichtteil". Er erfasst aber auch alle anderen Rechtsgeschäfte, die im weitesten Sinne den Nachlass betreffen. Über den auf Verträge über den gesetzlichen Erbteil oder den Pflichtteil beschränkten Wortlaut des § 311b Abs. 5 BGB hinaus lässt dieser nach einer – mit Hinblick auf den Normzweck des § 311b Abs. 5 BGB, eine vorzeitige Auseinandersetzung unter künftigen gesetzlichen Erben zu ermöglichen – Literaturansicht jede Art von Verpflichtungen über Verfügungen zu, die sich im quantitativen Rahmen des gesetzlichen Erbrechts des sich verpflichtenden künftigen gesetzlichen Erben halten, auch wenn sie testamentarische Erbteile oder Vermächtnisse zum Gegenstand haben. Dazu zählen nach allgemeiner Ansicht bspw. Auseinandersetzungsvereinbarungen zwischen künftigen gesetzlichen Erben. Vom BGH entschieden wurde mittlerweile, dass ein Erbschaftsvertrag auch über einen testamentarischen Erbteil gem. § 311b Abs. 5 BGB zulässig sein kann.
BGH:
Zitat
a) Auch bei einem Vertrag, durch den ein "künftiger gesetzlicher Erbe" sich zur Übertragung seines künftigen gesetzlichen Erbteils nach einem lebenden Dritten verpflichtet (Erbschaftsvertrag), kann dessen künftiger testamentarischer Erbteil mitgemeint sein.
b) Der Erbschaftsvertrag ist nicht deshalb unwirksam, weil der Verpflichtete den — gleich hohen — Erbteil aufgrund einer Verfügung von Todes wegen erlangt (Abweichung von RGZ 98, 330).“
Rz. 20
Nach Auffassung des BGH kommt es nicht darauf an, ob ein Erbteil kraft Gesetzes oder kraft testamentarischer Erbfolge erlangt wird. Das Merkmal des gesetzlichen Erbteils sei lediglich als quantitative Beschränkung zu verstehen. § 311b Abs. 5 BGB sei demnach bis zur Höhe des gesetzlichen Erbteils auch auf Verträge über testamentarische Erbteile anwendbar. Die Praxis hat die Rechtsprechung zur betragsmäßigen Grenze zugrunde zu legen und ihre Einhaltung ggf. durch zusätzliche interne Ausgleichsverpflichtungen sicherzustellen.
Zu beachten ist allerdings, dass § 311b Abs. 5 BGB lediglich schuldrechtlich wirkende Verträge zulässt. Eine dinglich wirkende, bereits jetzt zu vereinbarende und mit dem Erbfall automatisch wirksam werdende antizipierte Abtretung des gesetzlichen (oder des testamentarischen) Erbteils ist nach dem Standpunkt der h.M. nicht möglich. Verfügungsgeschäfte über den Nachlass eines Dritten sind vor dessen Tod grundsätzlich unwirksam. Eine dinglich wirkende Erbteilsabtretung ist erst mit dem Erbfall möglich.
Rz. 21
Zulässiger Gegenstand eines Erbschaftsvertrags können insbesondere folgende Verpflichtungen sein:
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vollständige oder teilweise Abtretung des gesetzlichen Erb- oder Pflichtteils, z.B. als vorweggenommenes Ausscheiden eines künftigen Miterben aus der Erbengemeinschaft oder zum Zwecke einer Gleichstellung der Erben oder, höhenmäßig auf den gesetzlichen Erbteil begrenzt, eines letztwillig zugewandten Erbteils oder (str.) Vermächtnisses; |
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Ausübung erbrechtlicher Gestaltungsrechte wie Annahme/Ausschlagung der Erbschaft, (Nicht-)Geltendmachung des Pflichtteils, ggf. gegenständlich oder auf Pflichtteilsergänzungsansprüche beschränkt – praktisch zur Flankierung eines im Übertragungsvertrag von allen Erwerbern abgegebenen Pflichtteilsverzichts bedeutsam, damit die Erwerber sich gegenseitig dagegen absichern, dass einer von ihnen den Verzicht durch Aufhebungsvertrag mit dem Erblasser rückgängig macht; |
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Ausgleichungs- und Anrechnungsverträge i.S.v. §§ 2050 ff., 2315 ff. BGB; |
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Verträge über einzelne Nachlassgegenstände; |
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Verträge über eine künftige Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten eines deutschen Gerichts im Sinne der internationalen Zuständigkeit gem. Art. 5 EuErbVO. |
Hinweis
§ 311b Abs. 5 BGB lässt nur schuldrechtliche Verträge zu. Verfügungen sind vor dem Erbfall nur über den Pflichtteil zulässig. Zur Absicherung der schuldrechtlichen Ansprüche empfiehlt sich in der Praxis eine unwiderrufliche Vollmacht zur Erfüllung.