(a) Inhalts- und Erklärungsirrtum
Rz. 179
Bezüglich des Inhalts- und Erklärungsirrtums gelten dieselben Grundsätze wie beim Testamentsanfechtungsrecht, §§ 2281 Abs. 1, 2078 Abs. 1 BGB. Allerdings kann ein Inhaltsirrtum auch insofern bestehen, als sich der Erblasser über die rechtliche Tragweite, vor allem über die Bindungswirkung des Erbvertrags, bei seinem Abschluss nicht im Klaren war.
Rz. 180
Das objektive Moment, das in § 119 Abs. 1 BGB bei der Anfechtung von Willenserklärungen aufgenommen wurde, nämlich die Einschränkung, dass eine Anfechtung ausgeschlossen ist, wenn der Erklärende bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles die Erklärung trotzdem so abgegeben hätte, gilt weder beim Testament noch beim Erbvertrag. Vielmehr ist hier die subjektive Denk- und Anschauungsweise des Erblassers maßgebend.
Rz. 181
Zu der Frage, ob die Vorstellungen des Erblassers positiv sein müssen oder ob auch eine unbewusste Vorstellung ausreicht, hat der BGH in seiner Rechtsprechung folgende Grundsätze entwickelt:
▪ |
Allein die Vorstellungen des Erblassers bei Errichtung der letztwilligen Verfügung sind maßgebend, |
▪ |
diese Vorstellungen müssen nicht im Testament oder Erbvertrag ihren Niederschlag gefunden haben, |
▪ |
als Vorstellungen genügen auch unbewusste, d.h. solche, die der Erblasser zwar nicht wirklich hatte, die er aber als selbstverständlich seiner Verfügung zugrunde gelegt hat, |
▪ |
diese Vorstellungen müssen zumindest auch (kausal) mitbestimmend für die Verfügung/den Erbvertrag gewesen sein, |
▪ |
zwischen Testamentsanfechtung und Erbvertragsanfechtung wird, was die Vorstellungen des Erblassers betrifft, kein Unterschied gemacht. |
(b) Motivirrtum
Rz. 182
Auch der Motivirrtum berechtigt den Erblasser zur Anfechtung, §§ 2281, 2078 Abs. 2 BGB.
Anfechtungsgründe können sein: Irrtum, Drohung oder Täuschung (§§ 2281 Abs. 1, 2078 BGB) oder das Übergehen eines Pflichtteilsberechtigten als vom Gesetz vermuteter Irrtum (§§ 2281 Abs. 1, 2079 BGB). Voraussetzung für eine Anfechtung wegen des Übergehens eines Pflichtteilsberechtigten ist aber, dass dieser zum Zeitpunkt der Anfechtung noch vorhanden ist, § 2281 Abs. 1 Hs. 2 BGB. Nach § 10 Abs. 6 LPartG ist auch der eingetragene Lebenspartner pflichtteilsberechtigt, so dass auch bei Begründung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft (deutschen Rechts) ein Anfechtungsrecht wegen des Hinzutretens eines Pflichtteilsberechtigten entstehen kann. Auf die einjährige Anfechtungsfrist des § 2283 BGB ab Begründung der Lebenspartnerschaft ist besonders zu achten. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.7.2017 zum 1.10.2017 sind gleichgeschlechtliche Partner Eheleuten gleichgestellt.