Rz. 165
Ungeklärt sind die Frage der Reichweite eines solchen Änderungsvorbehalts und die Frage, welchen Inhalt er haben kann, insbesondere, ob jegliche Änderung einer vertragsmäßig getroffenen Verfügung zulässig ist. Dabei ist entscheidend, dass der Erbvertrag als besondere Einrichtung des Vertragsrechts zumindest einer (!) vertraglich bindenden Regelung bedarf, weil andernfalls das essenzielle Charakteristikum eines Vertrags, nämlich seine Bindung, beseitigt würde. Deshalb wird ein Änderungsvorbehalt nur dann für zulässig gehalten, wenn beim Erblasser noch eine gewisse vertragliche Bindung bestehen bleibt. Dies bedeutet wiederum, dass ein Änderungsvorbehalt nicht so weit gehen kann, dass der Erblasser dadurch seine gesamte Testierfreiheit, deren er sich durch die eingegangene Bindung teilweise begeben hat, wieder erlangt. Das ist nicht nur dann der Fall, wenn eine vertragsmäßige Verfügung ohne Änderungsvorbehalt bestehen bleibt, sondern auch, wenn die Änderung nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich oder inhaltlich beschränkt ist, da auch im letzteren Fall der Erblasser in seiner Gestaltungsfreiheit beschränkt ist. Eine auf Seiten des Vertragspartners erlangte vertragliche Position muss diesem erhalten bleiben, andernfalls entfiele das vertragstypische Merkmal schlechthin.
Rz. 166
Die Rechtsprechung orientiert sich bei der Bestimmung der Grenzen eines Änderungsvorbehalts an dem Charakteristikum der erbvertraglichen Bindung. Der BGH betont, dass der Erbvertrag durch den Vorbehalt seines vertraglichen Wesens nicht entkleidet werden dürfe. Dies sei aber dann der Fall, wenn für den Erblasser keine Bindung mehr bestehe. Deshalb müsse der Vorbehalt wenigstens eine für den Erblasser bindende Verfügung i.S.d. § 2278 Abs. 2 BGB bestehen lassen. In der beratenden Praxis muss deshalb streng darauf geachtet werden, dass wenigstens eine einzige vertragsmäßige Verfügung im Erbvertrag nicht vom Änderungsvorbehalt erfasst wird. So hat der BGH einen Vorbehalt, die Schlusserbeneinsetzung jederzeit abändern zu können, als zulässig erachtet, weil daneben noch eine vorbehaltlose gegenseitige Erbeinsetzung der Vertragschließenden im Erbvertrag enthalten war. Enthält ein Erbvertrag nur eine einzige vertragsmäßige Verfügung, dann darf der Vorbehalt nur so weit reichen, dass der Erblasser den Inhalt der Verfügung nicht vollkommen abändern kann; ein unabänderbarer Teil muss bestehen bleiben. Der BGH führt aus:
Rz. 167
Zitat
"Ein Vorbehalt, der den Erblasser berechtige, sämtliche vertragsmäßigen Verfügungen durch einseitige zu ersetzen, gewähre ihm letztlich ein Rücktrittsrecht ohne Einhaltung der vom Gesetz vorgesehenen strengen Vorschriften der §§ 2293 ff. BGB. Da es sich insoweit um eine Umgehung handle, sei dieser unbeschränkte Änderungsvorbehalt unzulässig."
Rz. 168
Nach der herrschenden Rechtsprechung ist ein Änderungsvorbehalt unzulässig, wenn er dem Erblasser gestattet, von allen vertraglichen Verfügungen ohne weiteres und ohne Einhaltung der Rücktrittsvorschriften abzuweichen.
BGH im Urt. v. 8.1.1958:
Rz. 169
Zitat
"Es muss durch Auslegung der letztwilligen Verfügung ermittelt werden, ob es sich um eine vertragsmäßige Bestimmung handelt. Soweit einer an dem Erbvertrag beteiligten Person in dem Vertrag etwas zugewendet ist, ist in aller Regel davon auszugehen, dass diese Zuwendung vertragsmäßig getroffen ist … Mit Rücksicht auf die Vertragsfreiheit, die auch für den Abschluss von Erbverträgen gilt, ist es zulässig, dass die Parteien in dem Erbvertrag dem Erblasser das Recht vorbehalten, in gewissem Umfang letztwillige Verfügungen zu treffen, die mit den in dem Erbvertrag getroffenen unvereinbar sind. Dieser Vorbehalt kann aber nicht so weit gehen, dass damit der Erbvertrag seines eigentlichen Wesens entkleidet wird. Für die Frage, in welchem Umfang ein solcher Vorbehalt zulässig ist, ist zu beachten, dass der Erbvertrag, auch wenn der Erblasser von dem Vorbehalt Gebrauch macht, seinen Inhalt behalten muss. Es muss in ihm weiter eine vertragsmäßig nach § 2278 Abs. 2 BGB zu treffende Verfügung enthalten bleiben. Soweit das nicht zutrifft, würde die letztwillige Verfügung, falls nicht der Vorbehalt wirksam wäre, kein Erbvertrag sein, da es den Parteien nicht gestattet ist, dem Erblasser zu ermöglichen, den Vertrag auf andere Weise als im Wege der eben wiedergegebenen gesetzlichen Bestimmungen außer Kraft zu setzen. Wer den Willen hat, eine Verfügung von Todes wegen als vertragsmäßige zu errichten, kann auch nicht wollen, dass sie eine nur einseitige sei. … Zulässig ist es, dass der Erblasser, der vertraglich eine Person als Erben einsetzt, sich vorbehält, über einzelne Gegenstände seines Vermögens anderweitig durch Anordnung von Vermächtnissen zu verfügen oder eine Testamentsvollstreckung anzuordnen. … Zulässig wäre es auch, wenn der Erblasser sich in einem Erbvertrag, durch den er den Vertragspartner zum Alleinerben eingesetzt hat, vorbehält, dieses Recht zu beschränken und neben dem Vertragserben ...