a) Abschlussfähigkeit
aa) Geschäftsfähigkeit
Rz. 35
Für den Abschluss eines Erbvertrags auf der Seite des Erblassers ist nach § 2275 BGB im Allgemeinen unbeschränkte Geschäftsfähigkeit erforderlich.
Rz. 36
Häufig entsteht in Erbrechtsprozessen Streit über die Geschäfts- bzw. Testierfähigkeit des Erblassers. Dabei geht es immer wieder um die Frage, ob der behandelnde Arzt von seiner ärztlichen Schweigepflicht entbunden ist. Es ist unstreitig, dass der Erblasser diese Entbindung selbst erklären kann. Deshalb ist zu empfehlen, in die Verfügung von Todes wegen eine solche Entbindungserklärung aufzunehmen.
Rz. 37
Lebzeitige Feststellungen zum Geisteszustand des späteren Erblassers können u.U. in einem selbstständigen Beweisverfahren getroffen werden.
Rz. 38
Rechtsprechung des BVerfG zur Ehefähigkeit
BVerfG, Beschl. v. 18.12.2002:
Zitat
"Trotz erheblicher Zweifel an der Geschäftsfähigkeit im Übrigen kann eine partielle Geschäftsfähigkeit für die Eheschließung gegeben sein."
Welche Tragweite diese Rechtsprechung hat, kann noch nicht abschließend abgesehen werden. Könnte daraus auch eine partielle Geschäftsfähigkeit für einen Ehevertrag folgen und/oder auch eine partielle Geschäfts-/Testierfähigkeit für ein gemeinschaftliches Testament und/oder einen Ehegatten-Erbvertrag?
bb) Muster: Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht
Rz. 39
Muster 4.2: Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht
Muster 4.2: Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht
Ich, _________________________, entbinde schon heute die mich bisher und zukünftig behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht, soweit es um die Frage meiner Geschäfts- bzw. Testierfähigkeit geht.
(Unterschrift)
cc) Feststellungen des Notars zur Geschäftsfähigkeit
Rz. 40
Die Feststellungen des Notars zur Geschäfts- bzw. Testierfähigkeit, die gem. § 28 BeurkG in notarielle Urkunden aufgenommen werden sollen, erbringen zwar nicht den Beweis für die Geschäfts- bzw. Testierfähigkeit i.S.d. §§ 415 ff. ZPO, sind aber im Prozess und im FG-Verfahren gem. § 286 ZPO, §§ 29, 30 FamFG zu würdigen.
Rz. 41
Das KG legt den Feststellungen des Notars bei der späteren Beweiswürdigung besonderes Gewicht bei. Andererseits ist das OLG Frankfurt der Ansicht, dass die Feststellungen des Notars in der Schenkungsurkunde über die Geschäftsfähigkeit des Erblassers keine Bedeutung hätten, weil der Notar als medizinischer Laie dazu keine endgültigen Aussagen machen könne.
Nach BayObLG haben Feststellungen des Notars zur Geschäftsfähigkeit lediglich Indizwirkung.
BayObLG, Beschl. v. 17.8.2004 – 1Z BR 053/04:
Zitat
"Rechtsfehlerhaft ist ferner die Auffassung des Landgerichts, es könne schon deshalb von Testierfähigkeit ausgehen, weil die beurkundenden Notare jeweils in der Urkunde festgehalten haben, sie seien aufgrund der Verhandlung mit dem Erblasser von dessen Testierfähigkeit überzeugt. Zwar kann bei einem ordnungsgemäß errichteten öffentlichen Testament in dem nach § 28 BeurkG vorgesehenen Vermerk des Notars über seine Wahrnehmungen bezüglich der Testierfähigkeit ein Indiz liegen (vgl. OLG Hamm FGPrax 1997, 68/69; Staudinger/Baumann, BGB, 13. Auflage, § 2229 Rn 47). Eine solche Feststellung des Urkundsnotars ist jedoch nicht geeignet, schon gar nicht ohne eine Beweiserhebung über ihr Zustandekommen, aufgrund konkreter Umstände begründete Zweifel an der Testierfähigkeit zu entkräften, zumal wenn – wie hier – eine psychische Erkrankung des Erblassers bereits durch den Sachverständigen festgestellt ist. Auch wenn der Erblasser anlässlich der Beurkundung seiner letztwilligen Verfügungen keine Wahnvorstellungen geäußert haben sollte, rechtfertigt das nicht den Schluss, dass sie nicht vorhanden waren."
Rz. 42
Das BayObLG zum Grad der Störung der Geistestätigkeit für eine anzunehmende Testierfähigkeit:
Zitat
"Der objektivierbare Befund einer Geisteskrankheit reicht … für sich allein nicht aus, um schon daraufhin den Erblasser für testierunfähig zu erklären … Für die Beurteilung entscheidend ist nicht die Diagnose einer organischen Störung, sondern Grad und Ausmaß der nachweisbaren psychopathologischen Auffälligkeiten. Eine diagnostische Zuordnung allein genügt daher nicht; es kommt vielmehr auf Ausmaß und Intensität der psychischen Störung an."
Rz. 43
Nach § 26 FamFG hat das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.
Nach § 29 FamFG sind vom Gericht die erforderlichen Beweise in geeigneter Form zu erheben. An das Vorbringen der Beteiligten ist es nicht gebunden. Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Vernehmung bei Amtsverschwiegenheit und das Recht zur Zeugnisverweigerung gelten für die Befragung von Auskunftspersonen entsprechend. Die Ergebnisse der Beweiserhebung sind aktenkundig zu machen.
Das Gericht entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob es die entscheidungserheblichen Tatsachen durch eine förmliche Beweisaufnahme entsprechend der Zivilprozessordnung feststellt, § 30 Abs. 1 FamFG. Eine förmliche Beweisaufnahme hat stattzufinden, wenn sie gesetzlich vorgesehen ist, § 30 Abs. 2 FamFG. Eine f...