Rz. 212
Die Rücktrittserklärung bedarf der notariellen Beurkundung, § 2296 Abs. 2 BGB. Sie ist gegenüber dem anderen Vertragsteil zu erklären; die Erklärung muss höchstpersönlich abgegeben werden. Hat ein Erblasser den in einem Erbvertrag vorbehaltenen Rücktritt erklärt und notariell beurkunden lassen und hat der Notar die Zustellung des Rücktritts an den als Alleinerben eingesetzten Vertragspartner übernommen, tatsächlich aber nicht zugestellt, wirkt der Erbvertrag fort mit der Folge, dass der vom Erblasser in einem neuen Testament eingesetzte (andere) Alleinerbe nicht erbberechtigt ist.
Rz. 213
Ist der Erbvertrag mit Rechtsgeschäften unter Lebenden in einer Urkunde verbunden (Ehe- bzw. Lebenspartnerschaftsvertrag, Scheidungsvereinbarung, Scheidungsfolgenregelung) und wurde der Rücktritt vorbehalten, so bedarf dieser der Form des § 2296 Abs. 2 S. 2 BGB.
Rz. 214
Ist der andere Vertragsteil geschäftsunfähig und gehört zum Aufgabenkreis eines für ihn bestellten Betreuers die Vermögenssorge, so kann der Rücktritt von einem Erbvertrag auch gegenüber dem Betreuer erklärt werden. Die ganz herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur geht davon aus, dass ein Rücktritt auch im Falle der Geschäftsunfähigkeit des anderen Vertragsteils möglich ist, dann aber gem. § 131 BGB dem gesetzlichen Vertreter des Geschäftsunfähigen zugehen muss, um wirksam zu werden. Ist der zurücktretende Ehegatte zugleich zum Betreuer des anderen Ehegatten bestellt, dürfte wohl ein Vertretungsausschluss bestehen, da die Empfangnahme der Widerrufserklärung nicht als lediglich rechtlich vorteilhaft angesehen werden kann, so dass für die Empfangnahme des Widerrufs ein Ergänzungsbetreuer nach § 1899 Abs. 4 BGB bestellt werden muss.
Rz. 215
Zum Erfordernis einer Betreuerbestellung auch das AG München:
Zitat
"… Die Betroffene ist geschäfts- und testierunfähig, und damit auch nicht in der Lage, Willenserklärungen zur Kenntnis zu nehmen. Ohne Bestellung eines Betreuers ist ein Widerruf des gemeinschaftlichen Testamentes nicht möglich, da angesichts fehlender Geschäftsfähigkeit die Willenserklärung der Betroffenen gegenüber nicht wirksam erfolgen kann. Die Geschäftsunfähigkeit nimmt nicht nur die Fähigkeit, Erklärungen wirksam abzugeben, sondern auch die Fähigkeit, Erklärungen mit Wirkung für und gegen sich zu empfangen. Ohne Betreuung scheitert der Zugang des Testamentswiderrufs …"
Rz. 216
Das LG Leipzig lässt es genügen, wenn der Widerruf dem Generalbevollmächtigten des anderen Ehegatten zugeht:
Zitat
"Der notariell beurkundete Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament gegenüber einem geschäftsunfähigen Ehepartner wird durch die Aushändigung der Widerrufserklärung an einen von diesem mit umfassender und uneingeschränkter General- bzw. Vorsorgevollmacht bestellten rechtsgeschäftlichen Vertreter wirksam. Die Bestellung eines Betreuers als gesetzlicher Vertreter ist nicht erforderlich. Das Fehlen der Bezeichnung als Vorsorgevollmacht ist unerheblich, wenn es sich sachlich um eine umfassende Generalvollmacht oder eine die Entgegennahme einer solchen Widerrufserklärung erfassende Einzel- oder Spezialvollmacht handelt."
So nun auch der BGH:
Zitat
"Dass der andere Vertragschließende geschäftsunfähig geworden ist, schließt den vertraglich vorbehaltenen Rücktritt vom Erbvertrag ihm gegenüber nicht aus. Der Rücktritt vom Erbvertrag kann bei Geschäftsunfähigkeit des anderen Vertragschließenden jedenfalls grds. wirksam gegenüber dessen Vorsorgebevollmächtigtem erfolgen."
Rz. 217
Ist der widerrufende Ehegatte zugleich der Generalbevollmächtigte des anderen, so erscheint es vertretbar, dass der Widerrufende auch die Erklärung für den anderen entgegennehmen kann, wenn er von § 181 BGB befreit ist.
OLG Hamm:
Zitat
1. Ein Ehegatte kann den Widerruf seiner in einem gemeinschaftlichen Testament getroffenen letztwilligen Verfügungen gegenüber dem mit dem Aufgabenkreis der Wahrnehmung der Vermögensangelegenheiten bestellten Betreuer seines Ehegatten erklären.
2. Die Wechselbezüglichkeit der in einem gemeinschaftlichen Testament getroffenen letztwilligen Verfügungen steht regelmäßig der Annahme entgegen, der von einem Widerruf der Verfügungen des anderen betroffene Ehegatte habe seine eigenen Verfügungen hypothetisch auch für diesen Fall fortgelten lassen wollen.