(1) Sachverhalt
Rz. 232
Mutter M und Tochter T schließen einen Erbvertrag, wonach M ihre Tochter T in vertraglich bindender Weise und ohne Rücktrittsvorbehalt zur Alleinerbin einsetzt. Die Tochter T hat sich im Gegenzug zur Zahlung einer wertgesicherten Leibrente an M verpflichtet. Außerdem sollte die Leibrente durch Eintragung einer Reallast auf einem Gebäudegrundstück der Tochter T gesichert werden. Letzteres ist unterblieben. Die aufgrund der Wertsicherung zu zahlenden erhöhten Beträge wurden nie geleistet, vielmehr wurden immer nur die Renten-Grundbeträge bezahlt. Seit einem halben Jahr wird von T keinerlei Zahlung mehr an M erbracht. Kann M von dem Erbvertrag zurücktreten?
(2) Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Erbvertrag
Rz. 233
Der Erblasser kann nach § 2295 BGB von einer vertragsmäßigen Verfügung von Todes wegen zurücktreten, wenn die Verfügung mit Rücksicht auf eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Bedachten, dem Erblasser für dessen Lebenszeit wiederkehrende Leistungen zu erbringen, getroffen ist und die Verpflichtung vor dem Tod des Erblassers aufgehoben wird.
Rz. 234
Rücktrittsrecht des Erblassers vom gegenseitigen Vertrag und vom Erbvertrag
Ist mit einem Erbvertrag, durch den der Erblasser den Bedachten zum Erben bestimmt, ein gegenseitiger Vertrag unter Lebenden verbunden, in dem der Bedachte sich zum Erbringen von Pflegeleistungen verpflichtet und der Erblasser weitere Verpflichtungen übernimmt, z.B. keine Veräußerung oder Belastung seines Hausgrundstücks zu Lebzeiten, so kann Letzterer wegen unterbliebener Pflegeleistungen gem. § 323 BGB von diesem Vertrag und zugleich nach § 2295 BGB vom Erbvertrag zurücktreten. Ein derartiger Rücktritt kommt erst dann in Betracht, wenn der Erblasser den Bedachten unter Fristsetzung zuvor vergeblich aufgefordert hat, die im Einzelnen zu bezeichnenden Pflegeleistungen zu erbringen.
Nach § 2295 BGB kann der Erblasser von einer vertragsmäßigen Verfügung zurückzutreten, wenn die Verfügung mit Rücksicht auf eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Bedachten, dem Erblasser für dessen Lebenszeit wiederkehrende Leistungen zu entrichten, insbesondere Unterhalt zu gewähren, getroffen ist und die Verpflichtung vor dem Tod des Erblassers aufgehoben wird. Grundsätzlich finden die Regelungen über gegenseitige Verträge nach §§ 320 ff. BGB, insbesondere über den Rücktritt nach § 323 BGB, auf Erbverträge keine Anwendung, da es am Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen der erbrechtlichen Verfügung und der übernommenen Verpflichtung des Vertragserben fehlt. Es liegt aber dann ein gegenseitiger Vertrag vor, wenn der Erbvertrag nicht nur eine Erbeinsetzung einerseits und die Pflegeverpflichtung des Bedachten andererseits enthält, sondern der Erblasser weiter die Verpflichtung übernommen hat, sein Hausgrundstück nicht zu veräußern und zu belasten. Zu deren Absicherung können die Vertragsparteien bei Verstoß eine Pflicht zur sofortigen unentgeltlichen Übereignung in den Vertrag aufnehmen und diese zugunsten des Bedachten durch eine Vormerkung absichern lassen. Diese Unterlassungspflicht des Erblassers sowie die Pflegepflicht des Bedachten stehen in einem Gegenseitigkeitsverhältnis i.S.v. § 323 Abs. 1 BGB. Ist aber mit dem Erbvertrag ein gegenseitiger Vertrag unter Lebenden verbunden, durch den der Bedachte sich dem Erblasser zur Gewährung von Pflege und/oder Unterhalt verpflichtet, so kann der Erblasser beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 323 BGB von diesem Vertrag und zugleich nach § 2295 BGB vom Erbvertrag zurücktreten.
(3) Gegenseitige Abhängigkeit von Erbeinsetzung und Zahlungsverpflichtung
Rz. 235
Eine solche Teilnichtigkeit könnte im Wege der Motivirrtumsanfechtung (über das spätere Verhalten des Erbvertrags-Partners) nach §§ 2281, 2078 Abs. 2 BGB herbeigeführt werden. Nach h.M. besteht dieses Anfechtungsrecht neben dem Rücktrittsrecht nach § 2295 BGB. Über § 139 BGB kann die Nichtigkeit der erbvertraglichen Regelung nach Anfechtung zur Nichtigkeit auch des Leibrentenversprechens führen.
Denkbar wäre auch, die Erbeinsetzung unter der auflösenden Bedingung der ordnungsgemäßen Rentenerfüllung zu verfügen.
Rz. 236
Welche Rechtskonstruktion bezüglich des Verhältnisses zwischen Erbeinsetzung einerseits und Rentenverpflichtung andererseits bestehen soll, bestimmt sich nach dem Willen der Vertragsparteien. Kann eine besondere Verknüpfung nicht festgestellt werden, so ist auf jeden Fall der Erbvertrag von Seiten der M anfechtbar nach §§ 2281 Abs. 1, 2078 Abs. 2 BGB im Hinblick auf die enttäuschte Leistungserwartung, die M haben konnte.
(4) Rückgewähr der Rentenzahlungen
Rz. 237
Fällt die erbvertragliche Erbeinsetzung der T – bspw. durch Anfechtung von Seiten de...