1. Allgemeines
Rz. 139
Der Erbvertrag hat, soweit Bindung besteht, gem. § 2289 BGB eine Beschränkung der Testierfreiheit des Erblassers zur Folge. § 2289 BGB hat insofern eine zentrale Bedeutung im Recht des Erbvertrags. Nach dieser Vorschrift hat die Errichtung eines Erbvertrags im Verhältnis zu anderen Verfügungen von Todes wegen die nachfolgend beschriebenen Wirkungen.
2. Verfügung von Todes wegen, die vor dem Erbvertrag errichtet wurde
Rz. 140
Ein bestehendes Testament wird durch den später abgeschlossenen Erbvertrag aufgehoben, soweit dadurch das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigt wird, § 2289 Abs. 1 S. 1 BGB (Aufhebungswirkung).
Rz. 141
Ein Erbvertrag, der zwischen denselben Personen geschlossen worden war, wird unwirksam, soweit er dem zweiten widerspricht, es gilt der letzte. Damit wird im zweiten Erbvertrag eine ganze oder teilweise einverständliche Vertragsaufhebung nach § 2290 BGB gesehen. Soweit der Vertrag mit einem anderen Vertragspartner geschlossen wurde, siehe die Ausführungen in Rdn 142 ff.
Wegen dieser weit reichenden Rechtswirkung eines Erbvertrags muss vor dessen Beurkundung sehr sorgfältig recherchiert werden, ob der Erblasser bereits einen Erbvertrag oder ein Testament errichtet hat.
Die Mitwirkung des vertraglich eingesetzten Erben an der Aufhebung seiner Erbeinsetzung ist höchstpersönlich und kann nicht angefochten werden.
3. Verfügung von Todes wegen, die nach dem Erbvertrag errichtet wurde
Rz. 142
Sowohl ein späteres Testament als auch ein späterer Erbvertrag sind insoweit absolut unwirksam, als die Rechtsstellung des vertragsmäßig Bedachten im Zeitpunkt des Erbfalls beeinträchtigt wird, § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB. Deshalb muss sich ein Notar, der mit der Beurkundung eines Erbvertrags beauftragt ist und Kenntnis von einem früheren Erbvertrag hat, vergewissern, ob wirklich ein neuer Erbvertrag geschlossen werden kann und nicht etwa Regelungen des älteren Erbvertrags dem entgegen stehen. Bei Verletzung dieser Pflicht könnte sich der Notar schadensersatzpflichtig machen.
Rz. 143
Besonderheit des Höferechts:
Ein Hofübergabevertrag i.S.v. § 17 HöfeO steht einer Verfügung von Todes wegen gleich. Besteht bezüglich der Übernahme eines Hofes eine erbvertragliche Bindung, so würde ein anders lautender Hofübergabevertrag an dieser Bindung scheitern.
Dazu der BGH:
Zitat
"Hat sich der Hofeigentümer (nur) durch einen Erbvertrag gebunden, so bestimmt sich seine Bindung – und damit der Schutz des Begünstigten – nach den §§ 2286, 2289 BGB. Gemäß § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB ist eine spätere Verfügung von Todes wegen unwirksam, soweit sie das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen würde. Der Hofeigentümer ist dann auch nicht mehr in der Lage, den Hof im Wege des Übergabevertrags einem anderen zu übertragen (BGH, Beschl. v. 30.1.1951, V BLw 57/49, RdL 1951, 129), denn der Hofübergabevertrag steht hinsichtlich der Auswahl des Hofnachfolgers einer Verfügung von Todes wegen gleich …"
4. Begriff der Beeinträchtigung
a) Schutz des vertragsmäßig Bedachten
Rz. 144
Geschützt wird das Recht des vertragsmäßig Bedachten. Würde die anderweitige Verfügung von Todes wegen diese Rechtsstellung mindern, beschränken, belasten oder gegenstandslos machen, so ist eine Beeinträchtigung gegeben. Ob eine nur wirtschaftliche Beeinträchtigung ausreicht, ist umstritten. Es dürfte auf die nachteilige Veränderung der rechtlichen Position des vertragsmäßig Bedachten ankommen. Beispielsweise wenn der Erblasser nach Abschluss des Erbvertrags eine Testamentsvollstreckung anordnen will. Damit würde die Rechtsstellung des vertragsmäßig Bedachten beschränkt werden, insbesondere im Hinblick auf seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bezüglich der einzelnen Nachlassgegenstände, §§ 2205, 2211 BGB. Umstritten ist, ob es für die Feststellung einer Beeinträchtigung i.S.d. § 2289 Abs. 1 BGB allein auf einen Vergleich aus rechtlicher Sicht ankommt oder ob auch wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden müssen.
Gegen die Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte hat sich der BGH ausgesprochen. Danach kommt es ausschließlich auf die Beeinträchtigung in rechtlicher Hinsicht an.
Rz. 145
Ob eine spätere testamentarische Verfügung des Vertragserblassers den Vertragserben i.S.v. § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB beeinträchtigt, ergibt sich aus dem Vergleich der im Erbvertrag und im Testament festgelegten Rechtsstellung des Erben. § 2289 Abs. 1 BGB will das Recht des vertraglichen Bedachten, nicht dessen wirtschaftlichen Erwerb schützen.
b) Auswechslung der Person des Testamentsvollstreckers in späterem Testament
Rz. 146
Die Frage, inwieweit in einer bloßen Auswechslung von Testamentsvollstreckern eine Beeinträchtigung i.S.v. § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB liegen kann, wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet.
Die wohl überwiegende Auffassung in der Literatur sieht in e...