Rz. 172

Da der Erbvertrag keine einseitige, jederzeit frei widerrufliche letztwillige Verfügung ist, können die weit reichenden Auslegungsvorschriften, die im Testamentsrecht gelten, nicht ohne weiteres übernommen werden. Vielmehr ist für die Frage, wie eine Willenserklärung verstanden werden kann, auf den oder die Vertragspartner Rücksicht zu nehmen. Im Hinblick auf den Vertrauensschutz der am Vertrag beteiligten Personen ist neben § 133 BGB auch § 157 BGB anzuwenden. Bei der Auslegung einer erbvertragsmäßigen Verfügung i.S.v. § 2278 BGB ist zu ermitteln, was die Vertragsteile im maßgebenden Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrags erklärt haben und wie das Erklärte aus der Sicht des anderen Teils zu verstehen war.[131] Zu prüfen ist deshalb immer, ob eine Auslegung, die dem Willen des einen Vertragspartners entspricht, auch mit dem Willen des anderen vereinbar ist.[132] Diese Grundsätze sind auch bei der ergänzenden Auslegung von Erbverträgen zu beachten. Beim Ehegattenerbvertrag können aus dem späteren Verhalten des überlebenden Ehegatten in aller Regel keine Schlüsse auf den Willen des erstverstorbenen Ehegatten gezogen werden. Im Übrigen gelten die Auslegungsvorschriften beim einseitigen und gemeinschaftlichen Testament.[133]

[131] BGHZ 106, 359, 361; OLG München FamRZ 2008, 547; OLG München FamRZ 2009, 547 = ZErb 2008, 387.
[132] BGH NJW 1961, 120.
[133] MüKo/Musielak, Vor § 2274 Rn 31.

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