1. Überblick
Rz. 30
Nach § 58 Abs. 3 RVG muss sich der gerichtlich bestellte oder beigeordnete Anwalt Zahlungen und Vorschüsse des Beschuldigten oder eines Dritten unmittelbar auf die aus der Landes- oder Bundeskasse zu gewährende Vergütung anrechnen lassen. Bei nachträglichen Zahlungen ist an die Staatskasse gegebenenfalls zurückzuzahlen (§ 58 Abs. 3 S. 2 RVG). Die Pflicht zur Anrechnung und Rückzahlung wird in § 58 Abs. 3 S. 3 u. 4 RVG allerdings dahingehend eingeschränkt, dass eine Anrechnung nur vorzunehmen ist,
▪ |
soweit der Anwalt insgesamt mehr als den doppelten Betrag der ihm nach § 44 Abs. 4 RVG aus der Staatskasse zustehenden Vergütung erhalten würde (§ 58 Abs. 3 S. 3 RVG) (siehe Rdn 31 ff.); |
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soweit der Anwalt insgesamt mehr als die Höchstgebühren eines Wahlanwalts erhalten würde (§ 58 Abs. 3 S. 4 RVG) (siehe Rdn 40). |
2. Anrechnung bei Überschreiten des Doppelten der Pflichtanwaltsgebühren
Rz. 31
Nach § 58 Abs. 3 S. 3 RVG sind Zahlungen und Vorschüsse des Beschuldigten oder eines Dritten unmittelbar auf die aus der Landes- oder Bundeskasse zu gewährende Vergütung anzurechnen, soweit der Anwalt insgesamt mehr als den doppelten Betrag der ihm nach § 44 Abs. 4 RVG aus der Staatskasse zustehenden Gebühren erhalten würde (§ 58 Abs. 3 S. 3 RVG); In der Regel sind damit Zahlungen in Höhe der einfachen Pflichtverteidigergebühren anrechnungsfrei, da die Summe dann zum Doppelten führt.
Rz. 32
Die Berechnung erfolgt in mehreren Schritten.
1. |
Zunächst sind die Pflichtverteidigergebühren (ohne Auslagen) festzustellen, und zwar netto. |
2. |
Sodann ist das Doppelte dieser Gebühren zu ermitteln. |
3. |
Anrechnungsfrei ist dann die Differenz zwischen den Pflichtverteidigergebühren und dem Doppelten, also in der Regel ein Betrag genau in Höhe der Pflichtverteidigergebühren. |
4. |
Sodann ist der anrechnungsfreie Betrag von dem Netto-Vorschuss oder der Netto-Zahlung abzuziehen. Dies ergibt dann den anzurechnenden Betrag. Allerdings kann nicht mehr angerechnet werden, als an Gebühren gegenüber der Staatskasse entstehen. Die Anrechnung kann also maximal die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren auf null reduzieren. Es kann nicht zu einem negativen Ergebnis kommen. |
5. |
In einer Kontrollberechnung kann dann überprüft werden, ob die Netto-Gebühren das Doppelte auch nicht übersteigen. |
Rz. 33
Eine Regelung für Auslagen ist nicht vorgesehen und auch nicht erforderlich, da der beigeordnete oder bestellte Anwalt Auslagen in derselben Höhe erhält wie ein Wahlanwalt (§ 46 RVG). Soweit der Auftraggeber auch Zahlungen oder Vorschüsse auf Auslagen leistet, sind diese in vollem Umfang anzurechnen. Vorschüsse oder Zahlungen auf Gebühren dürfen dagegen nie auf Auslagen angerechnet werden.
Beispiel 18: Anrechnung eines Vorschusses (I)
Der Beschuldigte beauftragt den Anwalt nach Anklageerhebung mit seiner Verteidigung vor dem AG und zahlt auf die Gebühren einen Vorschuss in Höhe von 700,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer. Anschließend wird der Anwalt als Pflichtverteidiger bestellt. Es findet ein Hauptverhandlungstermin statt.
Von dem erhaltenen Vorschuss ist der Betrag frei, der mit der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung das Doppelte der Pflichtverteidigergebühren ergibt. Nur der darüber hinaus gehende Betrag ist anzurechnen.
I. |
Gebühren aus der Staatskasse |
1. |
Grundgebühr, Nr. 4100 VV |
|
176,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV |
|
145,00 EUR |
3. |
Terminsgebühr, Nr. 4108 VV |
|
242,00 EUR |
Gesamt |
|
563,00 EUR |
II. |
Das Doppelte des aus der Staatskasse zu zahlenden Betrages |
|
2 x 563,00 EUR |
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1.126,00 EUR |
III. |
Anrechnungsfrei |
1. |
Doppelte Gebühren |
|
1.126,00 EUR |
2. |
Einfache Gebühren |
|
– 563,00 EUR |
Gesamt |
|
563,00 EUR |
IV. |
Anzurechnender Betrag |
1. |
Vorschuss |
|
700,00 EUR |
2. |
anrechnungsfrei |
|
– 563,00 EUR |
Gesamt |
|
137,00 EUR |
V. |
Vergütung aus der Staatskasse |
1. |
Grundgebühr, Nr. 4100 VV |
|
176,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV |
|
145,00 EUR |
3. |
Terminsgebühr, Nr. 4108 VV |
|
242,00 EUR |
4. |
anzurechnen gem. § 58 Abs. 3 RVG |
|
– 137,00 EUR |
|
Zwischensumme Gebühren |
426,00 EUR |
|
5. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
446,00 EUR |
|
6. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
84,74 EUR |
Gesamt |
|
530,74 EUR |
VI. |
Kontrolle |
1. |
Vorschuss |
|
700,00 EUR |
2. |
Zahlung Staatskasse auf Gebühren (netto) |
|
426,00 EUR |
Gesamt |
|
1.126,00 EUR |
Rz. 34
Liegt der Vorschuss über dem Doppelten der Pflichtverteidigergebühren, sind aus der Staatskasse nur noch die Auslagen zu zahlen. Eine Verrechnung eines Vorschusses auf Gebühren darf nicht auf Auslagen verrechnet werden.
Beispiel 19: Anrechnung eines Vorschusses (II)
Wie vorangegangenes Beispiel 18. Der Beschuldigte hat auf die Gebühren einen Vorschuss in Höhe von 1.200,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer gezahlt.
Der Vorschuss liegt über dem Doppelten der Pflichtverteidigergebühren, sodass aus der Landeskasse keine Gebühren mehr zu zahlen sind. Der anzurechnende Betrag ist dann auf die Höhe der Pflichtverteidigergebühren begrenzt.
I. |
Gebühren aus der Staatskasse |
1. |
Grundgebühr, Nr. 4100 VV |
|
176,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV |
|
145,00 EUR |
3. |
Terminsgebühr, Nr. 4108 VV |
|
242,00 EUR |
Gesamt |
|
563,00 EUR |
I... |