Rz. 497
Erscheinen die vom Sachverständigen angesetzten Kosten zu hoch, kann das Gericht den angesetzten Zeitaufwand nachprüfen.
Das OLG Frankfurt a.M. hält Sachverständige für verpflichtet, vorab darauf hinzuweisen, wenn sich in Kindschaftssachen die zu erwartenden Kosten voraussichtlich erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Verfahrensgegenstands bewegen.
Zitat
"1. Anlass zur Nachprüfung der vom Sachverständigen geltend gemachten Kosten besteht dann, wenn der angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung außergewöhnlich hoch erscheint. Insoweit hat eine Plausibilitätsprüfung zu erfolgen."
2. Sachverständige haben in Kindschaftssachen vorab darauf hinzuweisen, dass die zu erwartenden Kosten voraussichtlich erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Verfahrensgegenstands stehen.
3. Im Einzelfall hat eine Herabsetzung der zu erstattenden Kosten auf einen Betrag in Höhe des zweifachen Regelwerts in Kindschaftssachen zu erfolgen, welchem die Steuerlast noch hinzuzurechnen ist (= 9.520 EUR).“
Rz. 498
Das OLG Frankfurt a.M. hielt den geltend gemachten Zeitaufwand für das Aktenstudium von vier Stunden bei 279 Blatt Aktenumfang für nicht plausibel und verwies auf eine Entscheidung des OLG Nürnberg, welches für 150–200 Blatt eine Stunde Zeitaufwand ansetzt. Zudem monierte das OLG Frankfurt a.M. die in Ansatz gebrachten 56 Stunden für Explorationsgespräche, was im vorliegenden Fall bei 16 Gesprächen inklusive 2 Hausbesuchen pro Gespräch einen Zeitaufwand pro Gespräch von 3,5 Stunden bedeutet hätte. Ebenso überhöht erschienen dem OLG Frankfurt a.M. "17,5 Stunden Interaktionsbeobachtung bei vier Beobachtungsterminen und 24,5 Stunden Diagnostik für drei Testverfahren unter anderem mit den Kindern im Hinblick auf das junge Alter der Kinder." Das OLG Frankfurt a.M. strich dem Sachverständigen dann auch noch die geltend gemachten 4 Stunden für 4 Telefonate mit Bezugspersonen/Ärzten (der Akteninhalt gab die Dauer nicht her) und 11,5 Stunden Fahrtzeit zusammen, nachdem es über google.maps die Fahrzeit selbst rekonstruierte. Gegen den gem. § 9 JVEG angesetzten Stundensatz i.H.v. 100,00 EUR hatte es nichts einzuwenden.
Rz. 499
Aufgrund der nicht plausiblen Stunden reduzierte das OLG Frankfurt a.M. die zu erstattenden Sachverständigenkosten kurzerhand auf das doppelte des Regel-Verfahrenswerts nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG zzgl. Umsatzsteuer, mithin auf 9.520,00 EUR, nachdem der hier betroffene Kindesvater monierte, dass er vorab nicht über die unerwartet hohen Sachverständigenkosten informiert worden war, vgl. dazu auch § 407a Abs. 4 S. 2 ZPO i.V.m. § 30 Abs. 1 FamFG. Eine Hinweispflicht wird von einigen Gerichten bejaht, andere wiederum halten diese – da eine Kindschaftssache ein Amtsverfahren sei – nicht für geboten. Die letztgenannte Auffassung (keine Hinweispflicht) ist m.E. abzulehnen. Denn auch in einem Verfahren, das als reines FamFG-Verfahren nach dem Amtsermittlungsgrundsatz betrieben wird, können explodierende Kosten für Sachverständigengutachten die Beteiligten zur "Räson" bringen, was auch dem Kindeswohl entgegen kommen würde. Denn häufig ist es nicht einer der Elternteile allein, dessen Verhalten zu ausufernden Verfahren führt. So können die Eltern denn auch einen vom Gericht nach § 156 FamFG zu billigenden Vergleich treffen. Der 8. Senat für Familiensachen des OLG Frankfurt a.M. vertritt die Auffassung, zur Vermeidung ausufernder Kosten in Kindschaftsverfahren könne das beauftragte Gericht dem Sachverständigen z.B. eine Kostenobergrenze vorgeben, die (erst) bei Überschreiten zur Hinweispflicht des Sachverständigen führen würde. Das OLG Nürnberg sieht eine Hinweispflicht zur Zeit (2018) ab 9.000,00 EUR. Für Gerichte und Anwaltschaft ließe sich mit rechtzeitigem Hinweis über die Höhe der Sachverständigenkosten an die Beteiligten die ein oder andere Beweisaufnahme "abkürzen". Um noch Einfluss auf die Dauer bzw. den Umfang der Beweisaufnahme nehmen zu können, ist jedoch ein rechtzeitiger Hinweis des Sachverständigen wichtig; am Ende der Beweisaufnahme ist es zu spät.
Rz. 500
Ein zu hohes Sachverständigenhonorar kann jedoch allenfalls herabgesetzt werden; ein vollständiger Verlust kommt nicht in Betracht.
Rz. 501
Praxistipp
Auch Verfahrensbevollmächtigte haben es in der Hand ihre Mandanten mit frühem Hinweis auf explodierende Sachverständigenkosten zu mehr Vergleichsbereitschaft zu animieren. Vielen sind derart hohe Kosten überhaupt nicht bewusst. Relevant wird dies natürlich in erster Linie für sogenannte Selbstzahler sein. Da kann ein entsprechendes Verhalten auch zu einer Kostenauferlegung führen.
Rz. 502
Zu der Frage, ob es nach beendetem Umgangsverfahren gerechtfertigt ist, der Kindesmutter im Rahmen der gem. §§ 83 Abs. 2 i.V.m. 81 Abs. 1 S. 1, 3 FamFG zu treffenden Ermessensentscheidung die Kosten für ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten alleine aufzuerlegen, weil diese durch ihre ablehnende Einstellung die verweigernde Umgangshaltung...