1. Allgemeines zum GewSchG
Rz. 520
Am 1.1.2002 ist das "Gesetz zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung" (GewSchG) in Kraft getreten. Hintergrund dieses Gesetzes ist eine Initiative der Bundesregierung, durch verschiedenste geeignete Maßnahmen vor allem Gewalt gegen Frauen und Kinder einzudämmen und entsprechende rechtliche Mittel zur Durchsetzung des Schutzes von Opfern vor Gewalt zu etablieren.
Rz. 521
Die bis 2002 geltenden rechtlichen Möglichkeiten bei Gewalt gegen Ehegatten auf Zuweisung der ehelichen Wohnung setzten zum einen Trennung oder Trennungsabsicht voraus, zum anderen waren die Vollstreckungstitel, die auf Zahlung eines Ordnungsgeldes lauteten, bei mittellosen Tätern oft wirkungslos. Da ein erneutes Verfahren bei wiederholter Gewalt notwendig und die Vollstreckung aus den erwirkten Titeln wenig effektiv war, wurde von vielen Opfern aufgrund des fehlenden Präventions- und Schutzeffektes überhaupt kein Verfahren angestrengt. Auch diese Misere sollte durch das neue Gewaltschutzgesetz behoben werden. Dem Täter droht nun bei Verstoß gegen gerichtliche Schutzanordnungen nach dem GewSchG eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Damit hebt das GewSchG die Grenze zwischen Zivil- und Strafrecht auf, wobei das Recht, den Täter daneben auch nach anderen Strafvorschriften z.B. wegen Körperverletzung, Freiheitsberaubung, Nötigung, Beleidigung etc. zu belangen, unberührt bleibt.
Rz. 522
Zum Hintergrund der Initiative der Bundesregierung, zu den weiteren Maßnahmen, die im Rahmen dieser Initiative ergriffen worden sind und werden, sowie zu Ursachen, Ausmaß und Folgen häuslicher Gewalt wird auf entsprechende Literatur zu diesem Thema verwiesen. Am 31.3.2007 ist auch § 238 StGB zur Strafbarkeit von "Nachstellungen" in Kraft getreten. Das Gewaltschutzgesetz wurde inzwischen mehrfach angepasst.
2. Verfahren nach § 1 GewSchG
Rz. 523
Bei den Schutzanordnungen nach § 1 Abs. 1 GewSchG handelt es sich um die Maßnahmen, die getroffen werden können, wenn es zu einer Verletzung von Gesundheit oder Freiheit des Opfers gekommen ist.
Rz. 524
§ 1 GewSchG
(1) Hat eine Person vorsätzlich den Körper, die Gesundheit, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person widerrechtlich verletzt, hat das Gericht auf Antrag der verletzten Person die zur Abwendung weiterer Verletzungen erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die Anordnungen sollen befristet werden; die Frist kann verlängert werden. Das Gericht kann insbesondere anordnen, dass der Täter es unterlässt,
1. |
die Wohnung der verletzten Person zu betreten, |
2. |
sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung der verletzten Person aufzuhalten, |
3. |
zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich die verletzte Person regelmäßig aufhält, |
4. |
Verbindung zur verletzten Person, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (red. Anmerkung: Fax, Handy, Telefon, e-mail, etc.), aufzunehmen, |
5. |
Zusammentreffen mit der verletzten Person herbeizuführen, |
soweit dies nicht zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich ist.
Rz. 525
§ 1 Abs. 2 GewSchG erklärt die Maßnahmen des § 1 GewSchG für anwendbar, wenn es zwar nicht zu einer Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung gekommen ist, der Täter jedoch eine Person entsprechend bedroht hat sowie in den Fällen, wenn der Täter widerrechtlich und vorsätzlich in die Wohnung einer anderen Person oder deren befriedetes Besitztum eindringt oder eine andere Person dadurch unzumutbar belästigt, dass sie ihr gegen den ausdrücklich erklärten Willen wiederholt nachstellt oder sie unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln verfolgt.
§ 1 Abs. 1 und 2 GewSchG gelten im Übrigen gemäß § 1 Abs. 3 auch dann, wenn der Täter aufgrund krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder aufgrund eines Rausches gehandelt hat. Diese Regelung schützt das Opfer davor, dass sich der Täter entsprechender Rechtsverfolgung entzieht, indem er z.B. seinen alkoholisierten oder unter Drogeneinfluss befindlichen Zustand als Entschuldigung für sein Verhalt...