Dr. iur. Thomas Eder, Andreas Hilmer
Rz. 1270
§ 1456 BGB beinhaltet weitere Ausnahmen von dem Grundsatz, dass die Ehegatten nur gemeinschaftlich zur Gesamtgutsverwaltung berechtigt sind.
Rz. 1271
Hat ein Ehegatte darin eingewilligt, dass der andere Ehegatte selbstständig ein Erwerbsgeschäft betreibt, so ist seine Zustimmung gemäß § 1456 Abs. 1 S. 1 BGB zu solchen Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten nicht erforderlich, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt.
Rz. 1272
Zweck des § 1456 BGB ist es, einem Ehegatten die Teilnahme am Wirtschaftsleben zu ermöglichen und diesem die dazu erforderliche Bewegungsfreiheit zu verschaffen. Denn wegen der Beschränkung der Haftung auf das Vorbehalts- und Sondergut könnte der Rechtsverkehr behindert sein, daher soll die Haftungsgrundlage für verpflichtende Rechtsgeschäfte dieses Ehegatten so ausgestaltet werden, dass bei Wahrung der güterrechtlichen Belangen der Rechtsverkehr rechtlich und praktisch nicht über Gebühr behindert wird.
Rz. 1273
Ein Erwerbsgeschäft ist eine auf Wiederholung angelegte, der Erzielung von Einkünften dienende wirtschaftliche Tätigkeit.
Rz. 1274
Dies trifft nicht nur für Unternehmen des Gewerbe- oder Handelsrechts zu, sondern auch für Arztpraxen. Ein niedergelassener Arzt, der mit der Praxis die Lebensgrundlage der Familie erwirtschaftet, nimmt jedenfalls bei der Beschaffung und Erhaltung der erforderlichen personellen und sachlichen Mittel wie andere am Geschäftsverkehr teil. Er bedarf derselben Bewegungsfreiheit. Ein selbstständiges Erwerbsgeschäft liegt auch dann vor, wenn es von beiden Ehegatten gemeinschaftlich geführt wird.
Rz. 1275
Ob ein Erwerbsgeschäft ein bestimmtes Rechtsgeschäft "mit sich bringt", lässt sich nicht nach dessen Einordnung in allgemeine rechtliche oder wirtschaftliche Vertragstypen beurteilen. Maßgeblich ist vielmehr die getroffene Vereinbarung in ihrer konkreten Gestalt. Diese kennt der Geschäftspartner des Ehegatten, weshalb er beurteilen kann, ob sie dem Geschäftsbetrieb oder dem Privatbereich zuzuordnen ist. Es bedarf daher in Zweifelsfällen der Ermittlung aller Umstände, die dem einzelnen Rechtsgeschäft sein Gepräge geben. Lediglich subjektive Vorstellungen, die in den getroffenen Absprachen keinen Niederschlag gefunden haben, scheiden aus. Wenn die so ermittelte Vereinbarung nach der Verkehrsauffassung einen Zusammenhang mit dem Aufbau oder der Fortführung des Erwerbsgeschäfts aufweist, fällt sie unter § 1456 BGB.
Rz. 1276
Gehört ein von Eheleuten betriebenes Erwerbsgeschäft zum Gesamtgut, kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht davon ausgegangen werden, dass sie bezüglich dieses Erwerbsgeschäfts daneben stillschweigend eine (Innen-)Gesellschaft des bürgerlichen Rechts errichtet haben: Es ist zwar grundsätzlich möglich, für die geschäftliche Zusammenarbeit von Ehegatten, selbst wenn kein förmlicher Gesellschaftsvertrag abgeschlossen worden ist, ein gesellschaftsrechtliches Verhältnis in der Form der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts anzunehmen. Für die Annahme eines solchen Gesellschaftsverhältnisses besteht aber kein Raum, wenn das Erwerbsgeschäft in das Gesamtgut fällt. In diesem Fall kann es weder als gewollt noch als überhaupt sinnvoll erachtet werden, wenn ohnehin das Erwerbsgeschäft bereits in das Gesamtgut der Gütergemeinschaft fällt. Die Rechtsprechung hat auf die Rechtsfigur der stillschweigend abgeschlossenen Innengesellschaft zwischen Eheleuten nur zurückgegriffen, um güterrechtlichen Unzulänglichkeiten beim Ausgleich der Erträgnisse aus gemeinsamer Tätigkeit der Eheleute zu steuern. Besteht jedoch zwischen den Ehegatten eine Gütergemeinschaft und fällt das Erwerbsgeschäft in deren Gesamtgut, bewirkt bereits das eheliche Güterrecht einen sachgerechten und billigen Ausgleich im Hinblick auf die Mitarbeit beider Ehegatten. Für die Annahme einer zusätzlichen gesellschaftsrechtlichen Verbindung ist dann kein Raum, wenn sie von den Ehegatten nicht ausdrücklich vereinbart worden ist.
Rz. 1277
Einseitige Rechtsgeschäfte, die sich auf das Erwerbsgeschäft beziehen, sind gemäß § 1456 Abs. 1 S. 2 BGB dem Ehegatten gegenüber vorzunehmen, der das Erwerbsgeschäft betreibt.
Rz. 1278
Weiß ein Ehegatte, dass der andere ein Erwerbsgeschäft betreibt, und hat er hiergegen keinen Einspruch eingelegt, so steht dies einer Einwilligung gleich, § 1456 Abs. 2 BGB. Dritten gegenüber ist gemäß § 1456 Abs. 3 BGB ein Einspruch und der Widerruf der Einwilligung nur nach Maßgabe des § 1412 BGB wirksam.