Rz. 1421

Bei dem Übernahmerecht handelt es sich um ein Gestaltungsrecht, das vererblich ist. Es ist gegenüber dem anderen Ehegatten oder gegenüber dem Gericht durch einseitige, formlose, unwiderrufliche und empfangsbedürftige Willenserklärung geltend zu machen. Die Ausübung des Übernahmerechts ist selbst dann formlos möglich, wenn der rechtsgeschäftliche Erwerb des Gegenstandes formbedürftig wäre, beispielsweise nach § 311b BGB.[1567] Die Erklärung kann auch von der Bedingung abhängig gemacht werden, dass ein bestimmter Betrag als Wertersatz akzeptiert wird.[1568]

 

Rz. 1422

Ausgeübt werden kann das Übernahmerecht bis zur Beendigung der Auseinandersetzung.

 

Rz. 1423

Das Übernahmerecht begründet nur ein Recht, keine Pflicht zur Ausübung. Wird es ausgeübt, wird der übernehmende Ehegatte zum Wertersatz verpflichtet. Der andere Ehegatte wird zur Übertragung des Gegenstandes aus dem Gesamtgut verpflichtet. Bis zur Übertragung stehen grundsätzlich noch beiden Ehegatten das Recht auf Mitbesitz und Mitverwaltung gemeinsam zu.[1569] Über diesen subjektiven Belangen steht aber das objektive Gebot ordnungsgemäßer Verwaltung.[1570] Dies kann dazu führen, dass beispielsweise bei einer feindseligen Haltung das Recht eines Ehegatten auf Mitbesitz und Mitverwaltung zurückstehen muss, damit eine ordnungsmäße Verwaltung gewährleistet ist.[1571]

 

Rz. 1424

Das Übernahmerecht kann grundsätzlich erst geltend gemacht werden, wenn die Gesamtgutsverbindlichkeiten berichtigt wurden. Das Recht auf Mitwirkung des anderen Ehegatten kann von dem zur Übernahme berechtigten Ehegatten auch nicht vor Fälligkeit gemäß § 259 ZPO eingeklagt werden.[1572]

 

Rz. 1425

Nach der Rechtsprechung ist die Geltendmachung eines Übernahmerechts nach § 1477 Abs. 2 BGB ausnahmsweise bereits vor Berichtigung des Gesamtguts und vor endgültiger Überschussverteilung möglich, wenn die übrigen Mittel zur Tilgung der Schulden ausreichen, der Gegenstand nicht an einen Dritten herauszugeben ist oder der übernehmende Ehegatte die Schulden übernimmt und der Gläubiger den anderen Ehegatten aus der Haftung entlässt.[1573]

 

Rz. 1426

Jedem Ehegatten steht das Recht zu, zur Vorbereitung der Auseinandersetzung die Zwangsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft an einem zum Gesamtgut gehörenden Gegenstand gemäß § 180 Abs. 1 ZVG zu beantragen.[1574] Dabei stellt das Übernahmerecht nach § 1477 Abs. 2 BGB ein der Versteigerung entgegenstehendes Recht dar und kann analog § 771 ZPO im Wege der Drittwiderspruchsklage vor dem Familiengericht geltend gemacht werden.[1575] Es entspricht allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass die Drittwiderspruchsklage der zulässige Rechtsbehelf ist, obwohl die Teilungsversteigerung keine Vollstreckung und der klagende Antragsgegner nicht "Dritter" ist.[1576]

 

Rz. 1427

Das Übernahmerecht eines Ehegatten aus § 1477 Abs. 2 BGB hindert die Versteigerung aber nicht, wenn aus besonderen Gründen der in die Gütergemeinschaft eingebrachte Gegenstand im Liquidationsstadium anderweitig benötigt wird und der Ehegatte, der das Übernahmerecht beansprucht, daher zurückstehen muss. Das ist etwa der Fall, wenn ein Gesamtgutsgläubiger einen Anspruch auf Herausgabe dieses Gegenstands hat, oder wenn der Gegenstand zur Berichtigung von Gesamtgutsverbindlichkeiten in Geld umgesetzt werden muss.[1577]

 

Rz. 1428

Durch die in den §§ 1475 ff. BGB geregelte Reihenfolge von Schuldenberichtigung und Überschussteilung soll verhindert werden, dass einer der Ehegatten einem Gesamtgutsgläubiger persönlich haften muss, wenn das Gesamtgut ohne Rücksicht auf bestehende Gesamtgutsverbindlichkeiten verteilt worden ist, sei es durch Rückgabe eingebrachter Gegenstände, sei es durch Teilung in Natur oder durch Versilberung und Aufteilung des erzielten Erlöses. Wenn das Risiko einer fortdauernden persönlichen Haftung des anderen Ehegatten aber in ausreichender Weise behoben wird, fehlt seinem auf § 1475 Abs. 3 BGB gestützten Versteigerungsverlangen die rechtfertigende Grundlage mit der Folge, dass der zur Übernahme nach § 1477 Abs. 2 BGB berechtigte Ehegatte dem Versteigerungsbegehren widersprechen kann und die Drittwiderspruchklage begründet ist.[1578]

 

Rz. 1429

Dies ist der Fall, wenn die persönliche Inanspruchnahme durch einen Gesamtgutsgläubiger unterbleibt, weil im Gesamtgut ausreichende Mittel zur Befriedigung einer bis zur Übernahme des Gesamtgutsgegenstands nicht berichtigten Verbindlichkeit verbleiben oder wenn die persönliche Haftung eines Ehegatten nach Beendigung der Auseinandersetzung des Gesamtguts auf andere Weise wirksam ausgeschlossen wird. Letzteres wird beispielsweise angenommen, wenn die Berichtigung einer Gesamtgutsverbindlichkeit dadurch vollzogen wird, dass der sein Übernahmerecht ausübende Ehegatte sie als Alleinschuldner übernimmt und der Gläubiger den anderen Ehegatten aus der Haftung entlässt.[1579]

[1567] BGH FamRZ 1982, 991, 992; OLG München FamRZ 1988, 1275.
[1568] Klein, FuR 1995, 165, 167.
[1569] OLG Hamm FamRZ 1979, 810; OLG Stuttgart NJW 1950...

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