Dr. iur. Thomas Eder, Andreas Hilmer
Rz. 1409
Als dritter Schritt ist zu klären, ob Übernahmerechte oder Ersatzansprüche geltend gemacht werden.
Rz. 1410
Nach § 1477 Abs. 1 BGB ist der Überschuss nach den Vorschriften über die Gemeinschaft zu teilen. Eine Ausnahme von diesem Halbteilungsgrundsatz ist in § 1477 Abs. 2 BGB normiert, demzufolge ein Ehegatte gewisse Gegenstände übernehmen darf. Eine weitere Ausnahme bildet § 1478 BGB, wonach einem Ehegatten auf Verlangen der Wert von bestimmten Gegenständen zurückerstattet wird, die er in die Gütergemeinschaft eingebracht hat. Die Rechte nach § 1477 Abs. 2 BGB und § 1478 BGB können nebeneinander geltend gemacht werden.
(1) Ausübung des Übernahmerechts
(a) Allgemeines
Rz. 1411
Jeder Ehegatte kann gemäß § 1477 Abs. 2 Satz 1 BGB gegen Ersatz des Wertes die Sachen übernehmen, die ausschließlich zu seinem persönlichen Gebrauch bestimmt sind, insbesondere Kleider, Schmucksachen und Arbeitsgeräte. Das Gleiche gilt gemäß § 1477 Abs. 2 Satz 2 BGB für die Gegenstände, die ein Ehegatte in die Gütergemeinschaft eingebracht oder während der Gütergemeinschaft durch Erbfolge, durch Vermächtnis oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung erworben hat.
Rz. 1412
Durch diese Vorschrift wird den besonderen persönlichen Beziehungen Rechnung getragen, die zum Erwerb durch den Ehegatten geführt haben. Ferner sollen so zugewendete Vermögenswerte aus der Familie des bedachten Ehegatten diesem nach Beendigung der Gütergemeinschaft erhalten bleiben. Durch die Gewährung dieses Anspruchs wird es den Ehegatten ermöglicht, hinsichtlich ihrer persönlichen und von ihnen eingebrachten Gegenständen wieder die dingliche Rechtslage herzustellen, die vor der Gütergemeinschaft bzw. ohne die Gütergemeinschaft bestanden hätte. Zudem soll verhindert werden, dass eingebrachte Grundstücke geteilt und dabei verwertet werden müssen.
(b) Gegenstände des Übernahmerechts
Rz. 1413
Nach § 1477 Abs. 2 S. 1 BGB sind von dem Übernahmerecht alle Sachen erfasst, die ausschließlich für den persönlichen Gebrauch bestimmt sind, insbesondere Kleider, Schmucksachen und Arbeitsgeräte. Die Aufzählung ist nicht abschließend. Dazu gehören beispielsweise auch von einem Ehegatten genutzte Fahrzeuge (Kfz, Motorrad, Fahrrad) und Hobbygeräte. Dabei kommt es in erster Linie auf die objektive Zweckbestimmung und weniger auf den tatsächlichen Gebrauch an.
Rz. 1414
Nach § 1477 Abs. 2 Satz 2 BGB sind von dem Übernahmerecht ferner Gegenstände erfasst, die ein Ehegatte in die Gütergemeinschaft eingebracht hat.
Rz. 1415
Eingebrachte Gegenstände in diesem Sinne sind individualisierbare Vermögenswerte Objekte, über die ein Berechtigter Rechtsmacht ausüben kann. Eingebrachte Gegenstände sind außer den körperlichen Gegenständen auch Energien und Immaterialgüterrechte wie beispielsweise Urheberrechte und sonstige Vermögens-, insbesondere Forderungsrechte.
Rz. 1416
Eingebracht sind auch Gegenstände, die bei Begründung der Gütergemeinschaft im Eigentum der Ehegatten gestanden haben. Von dem Übernahmerecht werden ebenfalls solche Gegenstände erfasst, die ein Ehegatte nach Begründung der Gütergemeinschaft aus seinem Vorbehalts- oder Sondergut in das Gesamtgut eingebracht hat.
Rz. 1417
An Surrogaten von Vermögensgegenständen besteht kein Übernahmerecht. Insbesondere Gegenstände, die mit eingebrachten Geldmitteln angeschafft wurden, sind von dem Übernahmerecht nicht erfasst. Ein Surrogat liegt allerdings nicht vor, wenn die Grenzen eines Grundstücks neu gezogen werden. Es handelt sich nach der Flurbereinigung um das gleiche Grundstück im Sinne des § 1477 Abs. 2 BGB. Auch ein durch An-, Um- oder Neubau umgestaltetes eingebrachtes Grundstück stellt kein Surrogat dar.
Rz. 1418
Grundstücke sind als eingebracht anzusehen, wenn bei Vereinbarung der Gütergemeinschaft ein Anspruch auf Übereignung des Grundstücks bestand und dieser später erfüllt worden ist. Zunächst wird also der schuldrechtliche Anspruch in das Gesamtgut eingebracht und bei Erfüllung dieses Anspruchs erlangt das Gesamtgut Eigentum an diesem Grundstück, wodurch es selbst als eingebracht anzusehen ist.
Rz. 1419
Ein Übernahmerecht besteht außerdem nur an Gegenständen, die ein Ehegatte im Ganzen eingebracht hat, nicht an nur teilweise eingebrachten Gegenständen. Sonst würde der Ehegatte mehr erhalten, als er tatsächlich eingebracht hat. Haben beispielsweise die Ehegatten je eine Miteigentumshälfte in die Gütergemeinschaft eingebracht, rechtfertigt dies für sie nicht die Übernahme des Gesamtgegenstands.
Rz. 1420
Des Weiteren besteht ein Übernahmerecht gemäß § 1477 Abs. 2 S. 2 BGB an Gegenständen, die während der Gütergemeinschaft durch Erbfolge, durch Vermächtnis oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung erworben wurden. Dabei ist völlige Unentgeltlichkeit nicht erforderlich. Sind beispielsweise im Hinblick auf ein künftiges Erbrecht Ausg...