Dr. Mario Nöll, Gabriela Hack
Rz. 39
Wie oben (Rdn 32) gezeigt, findet in Fällen von Alleinerbschaft (ohne Testamentsvollstreckung) nach der h.M. keine dingliche Surrogation statt, gleichwohl kann es auch in solchen Fällen zu einer unmittelbaren, faktischen Ersetzung einzelner Nachlassbestandteile kommen. Dies gilt allerdings nur für solche Surrogate, die zufällig, d.h. ohne Zutun des Erben, in den Nachlass gefallen sind, insbesondere für Schadensersatzansprüche aufgrund von Beschädigung oder Zerstörung eines Nachlassgegenstandes oder Ansprüche auf Versicherungsleistungen aufgrund einer nach dem Erbfall erfolgten Beschädigung oder Zerstörung von Nachlassgegenständen.
Rz. 40
Gleiches gilt für Sekundäransprüche infolge einer Leistungsstörung in Bezug auf eine noch vom Erblasser begründete Nachlassforderung, z.B. wenn der Erblasser vor dem Erbfall noch einen Pkw gekauft hatte, der nach dem Erbfall nicht oder nur mangelhaft ausgeliefert wird. Zu denken ist ferner an Haftungsansprüche des (ggf. unbekannten) Erben gegen einen Nachlasspfleger gemäß § 1813 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1794 BGB (bis zum 31.12.2022 § 1915 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 1833 BGB) oder solche der Erben gegen einen pflichtwidrig agierenden Testamentsvollstrecker nach § 2219 BGB.
Bei der Erbengemeinschaft findet ohnehin die dingliche Surrogation gemäß § 2041 BGB statt.
Rz. 41
Ein Wertverlust des Nachlassbestandes kann sich auch dadurch ergeben, dass nach dem Erbfall Daueraufträge weiterlaufen und das Konto des Erblassers belasten, auch wenn ggf. keine Rechtsgrundlage mehr für die Zahlungen besteht, wie etwa bei der Zahlung von personenbezogenen Versicherungsbeiträgen (wie eine Lebens-, Unfall- oder Rentenversicherung). Dann bestehen gegen die jeweiligen Vertragspartner des Erblassers Erstattungsansprüche.
Rz. 42
Praxistipp
Um solche Ansprüche der Insolvenzmasse feststellen zu können, muss der Insolvenzverwalter standardmäßig die Umsätze aller Konten des Erblassers für die Zeit ab dem Erbfall sorgfältig auswerten. Dabei ergeben sich häufig Abbuchungen, die zu Unrecht erfolgt sind, sei es durch Weiterlaufen von Daueraufträgen, Einzug aufgrund von Lastschriftermächtigungen oder eigenmächtige Bargeldabhebungen bzw. Belastungen der Konten durch bevollmächtigte Personen. Wenn der Erblasser zusammen mit seinem Ehegatten Inhaber eines Oder-Kontos war, sind auch Verfügungen des anderen Kontoinhabers genau auf mögliche Erstattungsansprüche zu untersuchen.
Um sich ein umfassendes Bild von den finanziellen Verhältnissen des Erblassers, zu dessen Zahlungsflüssen und möglichen unentgeltlichen Leistungen zu verschaffen, müssen auch die Kontoauszüge bzw. Umsatzlisten der letzten ein bis zwei Jahre vor dem Erbfall bei den Banken angefordert und ausgewertet werden. Oftmals ergeben sich erst hierdurch Anhaltspunkte für Ansprüche, die der Verwalter verfolgen kann, etwa Anfechtungs- oder Schadensersatzansprüche.