Dr. Mario Nöll, Gabriela Hack
Rz. 23
Der insolvenzrechtlich relevante Nachlass ist typischerweise nicht deckungsgleich mit der Erbschaft als demjenigen Vermögen, das gemäß § 1922 Abs. 1 BGB im Moment des Todes vom Erblasser als Ganzes auf den Erben übergegangen ist, und er ist auch nicht deckungsgleich mit der späteren Nachlassinsolvenzmasse. Umfang und Wert des Nachlasses unterliegen im Zeitraum zwischen Erbfall und Eröffnung des Insolvenzverfahrens typischerweise Veränderungen. Für die Prüfung des Vorliegens von Insolvenzgründen und für die Insolvenzmasse nach Verfahrenseröffnung kommt es nicht darauf an, welche gemäß § 1922 Abs. 1 BGB vererblichen Aktiva im Moment des Erbfalls vorhanden waren. Maßgeblich sind nach herrschender Meinung nur diejenigen Vermögensgegenstände, die zum Stichtag der Verfahrenseröffnung (noch) als solche erkennbar und von dem Eigenvermögen des Erben unterscheidbar bei diesem vorhanden sind.
Nach einer Mindermeinung kommt es für den Insolvenzbeschlag auf den Zeitpunkt des Erbfalls an bzw. soll unter der Prämisse einer "Rückorientierung auf den Erbfall" möglichst der Zustand zur Zeit des Erbfalls wiederhergestellt werden. Die unterschiedlichen Meinungen haben keine praktische Relevanz; in jedem Fall wird zum Nachlass hinzugerechnet, was zwischen Erbfall und Verfahrenseröffnung in den Nachlass gelangt ist.
Rz. 24
Zum Nachlass in diesem Sinne können auch Gegenstände gehören, die im Todeszeitpunkt noch gar nicht zur Erbschaft i.e.S., als demjenigen Vermögen, das nach § 1922 BGB überging, gehörten, also insbesondere Surrogate, die dem Nachlass etwa als Gegenleistung im Rahmen von Veräußerungsgeschäften oder als Ersatz für die Zerstörung oder Beschädigung nachträglich zugefallen sind (hierzu siehe Rdn 30 ff.).
Unter Nachlass ist nach alldem die Gesamtheit der im Wege der Universalsukzession gemäß § 1922 Abs. 1 BGB auf den Erben übergegangen Aktiva, einschließlich etwaiger Surrogate, Nutzungen, Früchte, Erzeugnisse oder Erträge aus der Verwendung derselben im Zeitraum zwischen Erbfall und Eröffnungsentscheidung, zu verstehen, allerdings nur, soweit diese Gegenstände im Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung noch unterscheidbar von dem Eigenvermögen des Erben vorhanden sind.
Rz. 25
Mit Verfahrenseröffnung entstehen die Anfechtungsansprüche gemäß §§ 129 ff. InsO, deren objektive Tatbestände jeweils die Eröffnung des Verfahrens voraussetzen. Wird der Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen, bleibt es bei den allgemeinen Vorschriften. Zu diesen gehören auch die Vorschriften des AnfG, die den §§ 129 ff. InsO funktional entsprechen. Im Unterschied zu den §§ 129 ff. InsO handelt es sich bei den Ansprüchen gemäß § 1 ff. AnfG jedoch nicht um Ansprüche, die ggf. zum Nachlass gehören. Inhaber solcher Ansprüche sind allein die Nachlassgläubiger.
Rz. 26
Eine andere spannende Frage, die soweit ersichtlich bislang nicht abschließend von der Rechtsprechung entschieden ist, ob in Fällen von Nachlassverwaltung der Nachlassverwalter befugt ist, diese Ansprüche stellvertretend für die Nachlassgläubiger geltend zu machen. Da der Nachlassverwalter wie der Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes sowohl die Rechte des Schuldners als auch jene der Nachlassgläubiger im Interesse der Befriedigung der Gläubiger wahrzunehmen hat, ist diese Frage richtigerweise zu bejahen. Hierfür spricht letztlich auch § 1978 Abs. 2 S. 1 BGB, der die Ansprüche der Nachlassgläubiger gem. § 1978 Abs. 1 BGB als zum Nachlass gehörig erklärt und auf diese Weise sowohl dem Nachlassinsolvenzverwalter als auch dem Nachlassverwalter die Geltendmachung der Ansprüche im eigenen Namen ermöglicht.
Rz. 27
Zu den nachlassinsolvenzspezifischen Sonderaktiva, die grundsätzlich erst durch die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens begründet werden, gehören ferner die Ansprüche gemäß § 1978 ff. BGB i.V.m. §§ 662 ff. BGB (siehe Rdn 43 ff.).
Rz. 28
Der Insolvenzbeschlag endet mit der Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens (§ 200 bzw. § 215 InsO, im Insolvenzplanverfahren § 258 InsO). Sofern ein restlicher Nachlass vorhanden ist, erlangt der Erbe ab diesem Zeitpunkt wieder die Verfügungsbefugnis hieran.
Im Falle der Anordnung der Nachtragsverteilung nach § 203 InsO lebt der Insolvenzbeschlag mit dem anordnenden Beschluss wieder auf. Wurde die Nachtragsverteilung im Aufhebungsbeschluss vorbehalten, so bleibt der Insolvenzbeschlag kontinuierlich bestehen. Der Insolvenzbeschlag endet hier entweder mit der Beendigung der Nachtragsverteilung oder mit der förmlichen Aufhebung ihrer Anordnung (analog § 200 Abs. 2 S. 2, § 215 Abs. 1 S. 3 InsO).