Dr. Mario Nöll, Gabriela Hack
Rz. 204
Das Insolvenzgericht hat von Amts wegen zu ermitteln, ob die voraussichtliche Insolvenzmasse zur Deckung der Verfahrenskosten ausreichen wird. Die hierzu notwendigen Ermittlungen kann das Gericht selbst durchführen oder aber nach § 5 Abs. 1 InsO einen Sachverständigen mit der Prüfung beauftragen. Regelmäßig ziehen die Gerichte zur Beurteilung dieser Frage – und daneben insbesondere der Frage, ob ein Insolvenzgrund vorliegt – einen Sachverständigen heran. Auf dessen Ausführungen darf sich das Gericht allerdings nur dann verlassen und diese zur Grundlage seiner Entscheidung gem. § 4 InsO i.V.m. § 286 ZPO machen, wenn es das Gutachten für nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei hält.
Rz. 205
Somit ist die Prüfung der Verfahrenskostendeckung wichtiger Bestandteil des Prüfungsauftrages des von dem Insolvenzgericht eingesetzten Sachverständigen. Für den vorläufigen Insolvenzverwalter ordnet § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 InsO eine entsprechende Prüfungspflicht sogar ausdrücklich an. Der Sachverständige bzw. der vorläufige Insolvenzverwalter ist in Zweifelsfällen zu umfassenden Sachverhaltsermittlungen verpflichtet.
Rz. 206
In Nachlassinsolvenzverfahren kommt der Prüfung der Verfahrenskostendeckung regelmäßig besondere Bedeutung zu. Dies liegt zum einen daran, dass eine Stundung gem. § 4a InsO in der Nachlassinsolvenz nicht in Betracht kommt (siehe Rdn 219 und § 3 Rdn 58). Zum anderen ist die Prüfung deshalb bedeutsam, weil der Erbe unter der Voraussetzung, dass eine Verfahrenseröffnung mangels Masse untunlich ist, die Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlass ohne weiteres durch die Erhebung der sog. Dürftigkeitseinrede gem. § 1990 BGB realisieren kann (siehe § 2 Rdn 62 ff.). Tatsächlich liefert nur ein rechtskräftiger Beschluss gem. § 26 InsO über die Abweisung des Insolvenzantrages mangels Masse unwiderleglichen Beweis für die Dürftigkeit des Nachlasses.
Rz. 207
Eine Abweisung des Eröffnungsantrags nach § 26 InsO darf nur dann erfolgen, wenn der Antrag zulässig und – von der fehlenden Massekostendeckung abgesehen – begründet ist.
Hinweis
Kommt der Sachverständige zu der Erkenntnis, dass der Nachlass zwar materiell insolvenzreif ist, aber eine Eröffnung des Verfahrens mangels Masse untunlich ist, hat dies für beteiligte Nachlassgläubiger weitreichende Konsequenzen. Eine Abweisung mangels Masse hat regelmäßig zur Konsequenz, dass die Ordnungsfunktion der §§ 1978 ff. BGB, §§ 129 ff., 321 ff. InsO nicht zum Tragen kommt. Das heißt, dass gläubigerbenachteiligende Rechtshandlungen bzw. Vermögensverschiebungen des Erblassers, vorläufiger Erben oder nichterbender Angehöriger, die häufig gerade die Ursache einer von dem Gutachter anfänglich vorgefundenen Dürftigkeit des Nachlasses sind, dauerhaft Bestand haben. Für beteiligte Gläubiger führt die Abweisung mangels Masse daher fast immer zu einem Totalverlust. Hieraus ergibt sich für Gutachter und Insolvenzgerichte die Pflicht, auch und gerade dann, wenn der Nachlass nach den Angaben des Antragstellers im Insolvenzantrag völlig oder weitgehend mittellos ist, die Existenz nachlassinsolvenzrechtlicher Ansprüche gem. §§ 1978 ff. und anderer insolvenzspezifischer Sonderaktiva sowie deren Werthaltigkeit besonders sorgfältig und gründlich zu prüfen.