Dr. Mario Nöll, Gabriela Hack
Rz. 134
§ 324 Abs. 1 Nr. 4 InsO erklärt alle Kosten, die üblicherweise in einem vor oder parallel zum Insolvenzverfahren stattfindenden nachlassgerichtlichen Verfahren anfallen (können), zu Masseverbindlichkeiten. Im Einzelnen sind dies die Kosten der Eröffnung einer letztwilligen Verfügung (§ 348 FamFG), der gerichtlichen Sicherung des Nachlasses (§ 1960 BGB), einer Nachlasspflegschaft – worunter auch eine Nachlassverwaltung zu verstehen ist (§§ 1960, 1961, 1975, 1981 BGB), des Aufgebots der Nachlassgläubiger (§ 1970 BGB, §§ 454 ff. FamFG) sowie der Inventarerrichtung (§§ 1993 ff. BGB). Praktisch relevant ist insbesondere die Vergütung des Nachlasspflegers.
Rz. 135
§ 324 Abs. 1 Nr. 5 InsO betrifft die Verbindlichkeiten aus den von einem Nachlasspfleger (einschließlich Nachlassverwalter) oder einem Testamentsvollstrecker vorgenommenen Rechtsgeschäften. Der Begriff "Rechtsgeschäft" ist weit zu verstehen. Erfasst werden auch Steuerforderungen, die aus solchen Rechtsgeschäften resultieren, insbesondere Umsatzsteuerverbindlichkeiten. Zufolge BGH soll auch der Bereicherungsanspruch desjenigen, der ohne Rechtsgrund eine Leistung an den Nachlass erbracht hat, Masseverbindlichkeit sein. Diese Auffassung ist abzulehnen, da sie den Begriff des Rechtsgeschäftes überdehnt. Nach Ansicht des BGH werden nur solche Verbindlichkeiten von § 324 Abs. 1 Nr. 5 InsO erfasst, die im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung begründet wurden. Diese Auffassung ist in der Literatur zu Recht kritisiert worden, da sie sich mit dem Gesetzeswortlaut nur schwer vereinbaren lässt und es für außenstehende Gläubiger oftmals nicht erkennbar ist, ob sich der Nachlasspfleger bei Vertragsschluss noch im Rahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung bewegte oder nicht. Soweit ein Nachlasspfleger oder Testamentsvollstrecker seine Kompetenzen allerdings offensichtlich überschritten hat, etwa indem er Verfügungen ohne die gem. §§ 1848 ff., 1888 Abs. 1 BGB (bis zum 31.12.2022 §§ 1821 f., 1915 Abs. 1 S. 1 BGB) erforderlichen Genehmigungen tätigte, kann sich der Vertragspartner i.R.d. Rückabwicklung nicht auf § 324 Abs. 1 Nr. 5 InsO berufen.
Rz. 136
Keine Masseverbindlichkeiten sind solche, die von einem Nachlasspfleger oder Testamentsvollstrecker erkennbar außerhalb ihres Wirkungskreises bzw. außerhalb ihrer Verpflichtungsbefugnis (§§ 2206 Abs. 1 S. 2 BGB) oder unter evidentem Missbrauch der Vertretungsmacht oder kollusiv zum Nachteil der Erben begründet wurden.
Rz. 137
Hinweis
In Nachlassinsolvenzen besteht die Besonderheit, dass sämtliche Verbindlichkeiten aus Rechtshandlungen eines Nachlasspflegers oder Testamentsvollstreckers gem. § 324 Abs. 1 Nr. 5 InsO Masseverbindlichkeiten sind. Demgemäß sind auch die im Rahmen einer schwachen vorläufigen Verwaltung begründeten Verbindlichkeiten dann Masseverbindlichkeiten, wenn zur fraglichen Zeit die Nachlasspflegschaft oder Testamentsvollstreckung angeordnet war.
Eine weitere Ausnahme in Bezug auf Verbindlichkeiten, die im Rahmen einer schwachen vorläufigen Verwaltung begründet wurden, gilt für Steuerverbindlichkeiten, vgl. § 55 Abs. 4 InsO.
Rz. 138
Da die Vergütungsansprüche des Nachlasspflegers und Nachlassverwalters bereits von § 324 Abs. 1 Ziff. 4 InsO erfasst werden, hat § 324 Abs. 1 Ziff. 6 InsO insbesondere Bedeutung für den Vergütungsanspruch des Testamentsvollstreckers. Den Rang einer Masseverbindlichkeit hat die Testamentsvollstreckervergütung allerdings nur, wenn und soweit sie angemessen ist. Im Übrigen kommt ihr nach h.M. lediglich der Rang eines Vermächtnisses (§ 327 InsO) zu. Anderenfalls könnte der Erblasser über den Umweg, einen oder auch mehrere Personen zu Testamentsvollstreckern zu berufen und mit unangemessenen Vergütungsansprüchen auszustatten, die von der InsO vorgesehene bestmögliche Gläubigerbefriedigung torpedieren.
Rz. 139
Außerdem ist zu beachten, dass der Vergütungsanspruch des gewöhnlichen (Abwicklungs-)Testamentsvollstreckers grundsätzlich erst am Ende der Testamentsvollstreckung fällig wird. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet die Testamentsvollstreckung in der Regel jedoch nicht, sondern führt nur zu einem Ruhen des Amtes für die Dauer des Insolvenzverfahrens. Insbesondere in Fällen, in denen das Insolvenzverfahren nur wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet worden ist und dieser Insolvenzgrund durch Verwertungsmaßnahmen des Insolvenzverwalters beseitigt wird, kommt in Betracht, dass die Testamentsvollstreckung nach Abschluss des Insolvenzverfahrens normal weiterläuft. Der liquide (Masse-)Überschuss ist dann an den Testamentsvollstrecker und nicht an die Erben auszukehren. Die Auseinandersetzung des um die Verbindlichkeiten bereinigten Nachlasses obliegt in solchen Fällen nicht dem Insolvenzverwalter, sondern dem Testamentsvollstrecker, ebenso wie auch die schlussendliche Entnahme seiner Vergütung.
Rz. 140
Im Fall des Todes von Freiberuflern sehen die verschiedenen Berufsordnungen der Apotheker, Ärzte, Anwälte usw. zum Schutz der Patienten bzw. Mand...