Dr. Mario Nöll, Gabriela Hack
Rz. 160
§ 55 Abs. 3 S. 1 InsO betrifft den Fall, dass ein vorläufiger Insolvenzverwalter die Arbeitnehmer des Schuldners – im Nachlassinsolvenzverfahren also des Erblassers – weiterbeschäftigt und diese von der Bundesagentur für Arbeit Insolvenzgeld nach §§ 165 ff. SGB III erhalten. Nach § 169 SGB III gehen die Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, mit dem Antrag auf Insolvenzgeld auf die Bundesagentur über. Gemäß § 55 Abs. 3 S. 1 InsO können diese übergegangenen Forderungen durch die Bundesagentur für Arbeit nur als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden und nicht als Masseverbindlichkeit. Eine analoge Anwendung dieser Norm auf nicht von dem gesetzlichen Forderungsübergang erfasste Entgeltansprüche kann mangels Regelungslücke nicht vorgenommen werden.
Gleiches gilt für die Zahlung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen (§ 175 SGB III), § 55 Abs. 3 S. 2 InsO.
Rz. 161
Soweit der Sozialhilfeträger Kostenersatz für die dem Erblasser gewährte Sozialhilfe nach § 102 SGB XII fordert, ist dieser Anspruch ebenfalls eine Insolvenzforderung und keine Masseverbindlichkeit. Hat das Sozialamt allerdings die Leistungen nur darlehensweise gewährt und an einer Immobilie des Erblassers zur Sicherung seiner Rückzahlungsansprüche etwa eine Grundschuld eintragen lassen, so besteht hieraus ggf. – vorbehaltlich einer in solchen Fällen stets sorgfältig zu prüfenden Anfechtbarkeit der Grundschuldbestellung gem. §§ 129 ff. InsO – ein Recht zur abgesonderten Befriedigung.
Rz. 162
Sozialrechtliche Erstattungsansprüche kommen ferner in Betracht, wenn das Sozialamt die Bestattungskosten des Erblassers gem. § 74 SBG XII übernommen hat, was voraussetzt, dass dem hierzu Verpflichteten die Tragung der Bestattungskosten nicht zugemutet werden konnte. Dies sind zumeist Fälle, in denen der Erblasser mittellos verstarb und auch seine nächsten Angehörigen – die nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften trotz Ausschlagung zur Tragung der Bestattungskosten verpflichtet sind – diese Kosten nicht aufbringen können, etwa weil sie selbst Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II erhalten oder weil die (volljährigen) Kinder des Erblassers sich noch in der Ausbildung befinden.
Rz. 163
Wie der Begriff des "Verpflichteten" in § 74 SGB XII auszulegen ist, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Nach einer Auffassung erfasst die Vorschrift nur den vorrangig verpflichteten Angehörigen des Erblassers. Nach der Gegenauffassung kann auch ein nachrangig Verpflichteter Anspruch auf Kostenübernahme haben, so dass mehrere Anspruchsinhaber denkbar sind. Die Prüfung vorrangiger Ansprüche erfolgt dann i.R.d. Prüfung des Tatbestandsmerkmals der "Zumutbarkeit". In jedem Fall muss es sich um eine rechtliche Verpflichtung des Antragstellers zur Tragung der Bestattungskosten des Erblassers handeln, wobei sich die Verpflichtung aus erbrechtlichen, unterhaltsrechtlichen oder landesrechtlichen Bestattungspflichten ergeben kann.
Rz. 164
Im Nachlassinsolvenzverfahren erfolgt die Geltendmachung der Erstattungsansprüche nach Kostenübernahme durch den Sozialhilfeträger als Massegläubigerin, da es sich um die Kosten der Beerdigung des Erblassers handelt, § 324 Abs. 1 Nr. 2 InsO.