Rz. 98
Eine Aufhebung der Pfändung im Umfang des gemäß § 850c ZPO unpfändbaren Betrages von Arbeitseinkommen kommt in entsprechender Anwendung des § 850k ZPO hinsichtlich solcher Leistungen in Betracht, die auf ein bei einem Geldinstitut unterhaltenes Konto des Arbeitseinkommen erzielenden Schuldners überwiesen werden. § 850k ZPO ist aber nicht entsprechend anwendbar, wenn das Arbeitseinkommen auf Weisung des Arbeitsnehmers auf ein Konto eines Dritten überwiesen wird, und der Gläubiger entweder den Anspruch des Berechtigten gegen den Kontoinhaber auf Auskehrung des betreffenden Betrages oder den Auszahlungsanspruch des Dritten gegen die kontoführende Bank pfändet, so der BGH. Dann aber können die Schuldner Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO beanspruchen, soweit Gutschriften aus nach § 850c ZPO unpfändbarem Arbeitseinkommen des Mitschuldners und Ehemanns durch die Kontopfändung berührt sind. Dies sieht auch das BVerfG so: Seit dem 1.1.2012 wird Kontopfändungsschutz für den Schuldner – abgesehen von der Generalklausel des § 765a ZPO – durch ein Pfändungsschutzkonto gewährt. Unterlässt der Schuldner die Einrichtung eines solchen Kontos und veranlasst die Zahlung seines Arbeitseinkommens auf das Konto eines Dritten (hier: der Ehefrau), kann die Pfändung der betreffenden Beträge bei dem Dritten keine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung i.S.d. § 826 BGB gegenüber dem Dritten begründen. Eine solche Schädigung kann auch nicht durch Übertragung der in § 765a ZPO zum Ausdruck kommenden Wertung angenommen werden.
Rz. 99
Allerdings gilt ab dem 1.12.2021 auch § 850l ZPO. Unterhält der Schuldner, der eine natürliche Person ist, mit einer anderen natürlichen oder mit einer juristischen Person oder mit einer Mehrheit von Personen ein Gemeinschaftskonto und wird Guthaben auf diesem Konto gepfändet, so darf das Kreditinstitut erst nach Ablauf von einem Monat nach Zustellung des Überweisungsbeschlusses aus dem Guthaben an den Gläubiger leisten oder den Betrag hinterlegen. Dies gilt auch für künftiges Guthaben. Der Schuldner kann innerhalb des vorgenannten Zeitraums von dem Kreditinstitut verlangen, bestehendes oder künftiges Guthaben von dem Gemeinschaftskonto auf ein bei dem Kreditinstitut allein auf seinen Namen lautendes Zahlungskonto (= Girokonto) zu übertragen. Verlangt der Schuldner weiter, dass das Zahlungskonto als Pfändungsschutzkonto geführt wird, so gelten für die Einrichtung des Pfändungsschutzkontos § 850k ZPO und für das übertragene Guthaben die Regelungen der §§ 899 ff. ZPO. Für die Übertragung ist eine Mitwirkung anderer Kontoinhaber oder des Gläubigers nicht erforderlich. Der Übertragungsbetrag beläuft sich auf den Kopfteil des Schuldners an dem Guthaben. Sämtliche Kontoinhaber und der Gläubiger können sich auf eine abweichende Aufteilung des Übertragungsbetrags einigen; die Vereinbarung ist dem Kreditinstitut in Textform mitzuteilen.
Rz. 100
Wird nach Gutschrift einer Abfindung auf einem Bankkonto, das nicht als Pfändungsschutzkonto geführt wird, das Kontoguthaben gepfändet, kann nach § 765a ZPO die Pfändung – teilweise – aufgehoben werden. Wegen des Ausnahmecharakters des § 765a ZPO als reine Härteklausel kommen bei der Beurteilung der Frage, inwieweit der gepfändete Betrag freizugeben ist, nicht etwa die für Arbeitseinkommen üblichen Pfändungsfreibeträge zur Anwendung. Vielmehr sind Bestimmungen des dritten und elften Kapitels des SGB XII analog anwendbar.
Rz. 101
Ist ein Schuldner krankheitsbedingt darauf angewiesen, dass sein Geld durch einen Dritten verwaltet wird und besteht daher beim Dritten ein "Geldverwertungskonto", ist im Falle der Pfändung dieses Geldverwaltungskontos der verfassungsrechtlich gebotene Schutz des für den notwendigen Unterhalt erforderlichen Betrags durch Anwendung des § 765a ZPO sicherzustellen. Der Schuldner kann in einer solchen Ausnahmesituation weder auf die Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos (§ 850k ZPO) noch auf die (erneute) Beantragung von Sozialleistungen verwiesen werden. Die Entscheidung über den Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO wirkt nicht nur für die Zukunft. Vielmehr werden auch die Beträge vom Schutz erfasst, die davor auf das "Geldverwaltungskonto" geflossen sind.
Rz. 102
Wenn durch eine rückwirkende Bewilligung des Bürgergelds (vorher Arbeitslosengeld II) für mehrere Monate auf ein Pfändungsschutzkonto nach § 850k ZPO überwiesen wird, kann gegen den Zugriff von Gläubigern Pfändungsschutz beim Vollstreckungsgericht am Amtsgericht gesucht werden. Der Sozialrechtsweg ist hierfür nicht gegeben. Ein Anspruch auf nochmalige Auszahlung in bar, weil Gläubiger die Leistung vom Pfändungsschutzkonto weggepfändet haben, besteht nicht. Unterhält der Schuldner ein Pfändungsschutzkonto und ein weiteres Konto, kann für Beträge, die auf dem weiteren Konto gutgeschrieben werden, kein Pfändungsschutz gewährt werden. Dies auch dann nicht, wenn es sich bei den Zahlungseingängen auf dem weiteren Konto um Leistungen des Jobcenters und um das Entgelt a...