Rz. 71
Zum Ende des Jahres 2021 wurde das Telekommunikationsmodernisierungsgesetz verabschiedet, das am 1.12.2021 in Kraft getreten ist (TKG 2021). Der Kundenschutz wurde erstmals in den §§ 43a ff. TKG und §§ 66a ff. TKG (traten erst zum 1.9.2007 in Kraft) zusammen mit den Bestimmungen der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung (TKV 1997) geregelt.
Rz. 72
Die Vorschriften der §§ 43a ff. TKG basierten zum großen Teil auf der Universaldienstleistungsrichtlinie der EU. Dagegen gibt es keine entsprechenden Richtlinienvorgaben für die Bestimmungen der §§ 66a ff. TKG. Im Unterschied zur TKV 1997 haben die neuen Bestimmungen nur noch den Endnutzer (§ 3 Nr. 13 TKG) zum Schutzadressaten, dagegen nicht mehr den neu auf den Markt tretenden Wettbewerber. Für Letzteren sind alleine die Vorschriften über die Zugangsregulierung (§§ 20 ff. TKG) maßgeblich.
Rz. 73
Die Neuregelungen zum Kundenschutz in § 51 TKG und zur Nummerierung in § 107 TKG setzen die Art. 99 ff. RL 2018/1972/EU (Kodex) um und werden wegen der thematischen Nähe zusammen behandelt.
Rz. 74
Da die Kunden insbesondere vor Anbietern von Telefonmehrwertdiensten geschützt werden sollen (vor allem durch §§ 107 ff. TKG), werden diese Anbieter einer näheren Betrachtung unterzogen.
Rz. 75
Unter Telefonmehrwertdiensten (sind nicht im Gesetz definiert, aber z.B. in § 61 Abs. 6 TKG erwähnt) versteht man alle Dienstleistungen, die zum Teil als Telekommunikationsdienst (§ 3 Nr. 61 TKG) und zugleich auch weitere Dienstleistungen mit einschließt (§ 3 Nr. 63 TKG spricht von "telekommunikationsgestützten Diensten").
Rz. 76
Im Gegensatz zum TKG 1996, bei dem die Zuordnung der Telefonmehrwertdienste noch problematisch war, besteht nunmehr eine klare Zuordnung zur Telekommunikation. § 1 Telemediengesetz (TMG) legt fest, dass Dienste nach § 3 Nr. 63 TKG nun nicht mehr den Telemedien unterfallen. Die Unsicherheit beruhte darauf, dass diese Anbieter neben dem rein technischen Zugang über die Telefonleitung auch Inhalte anbieten und damit inhaltlich durchaus den Telemedien nahestehen (zur Abgrenzung von Telemedien zur Telekommunikation siehe Rdn 295).
Rz. 77
Zu den Telefonmehrwertdiensten zählen:
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Premium-Dienste (0190/0900, § 3 Nr. 47 TKG), |
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Kurzwahl-Dienste (§ 3 Nr. 27 TKG), |
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Kurzwahl-Datendienste (§ 3 Nr. 26 TKG), |
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Kurzwahl-Sprachdienste (§ 3 Nr. 28 TKG), |
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Auskunftsdienste (118xy, § 3 Nr. 5 TKG), |
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Massenverkehrs-Dienste (0137, § 3 Nr. 29 TKG), |
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Service-Dienste (0180, § 3 Nr. 51 TKG) sowie |
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entgeltfreier internationaler Telefondienst (0800, § 120 TKG). |
Rz. 78
Zunächst wird in § 55 TKG eine Regelung über die Informationspflichten vor Vertragsabschluss (enthält die nach Art. 102 Abs. 1 UAbs. 1 i.V.m. Anhang VIII RL 2018/1972/EU in Verträgen zu erteilenden Informationen) vorangestellt (Näheres dazu siehe Rdn 125).
Rz. 79
Eine inhaltliche Anpassung des Kundenschutzkapitels im TKG betrifft die zulässige Höchstlänge vertraglich vereinbarter Mindestlaufzeiten von Verträgen mit Endkunden. Während ursprünglich sogar eine pauschale Absenkung von 24 auf zwölf Monate diskutiert wurde, bahnte sich bereits gem. dem 3. Referentenentwurf vom 9.12.2020 eine differenzierte Neuregelung an. Diese erlaubt zwar grundsätzlich weiterhin die Vereinbarung einer vertraglichen Mindestlaufzeit von bis zu 24 Monaten im Verhältnis zu Verbrauchern (§ 56 Abs. 1 S. 1 TKG). Zugleich sollte die TKG-Novelle nach dem Referentenentwurf ihre Wirksamkeit aber unter die Voraussetzung stellen, dass für das jeweilige TK-Produkt unaufgefordert ein alternativer Vertrag mit bloß zwölfmonatiger Laufzeit angeboten wird, dessen Preis den Monatsdurchschnitt des Referenzprodukts um nicht mehr als 25 % übersteigen darf.
Diese Vorgabe wurde durch den Bundestag noch einmal verwässert. Vorgesehen ist nur noch die Verpflichtung, einen Tarif mit 12-monatiger Laufzeit anzubieten, ohne dass für dessen Bepreisung eine Obergrenze gilt (§ 56 Abs. 1 S. 2 TKG). Wer Kunden also weiterhin über Verträge mit langen Mindestlaufzeiten binden möchte, kann dies nach wie vor erreichen, indem er das schneller kündbare Alternativprodukt teuer gestaltet. Unklar ist, welche Rechtsfolgen eine Verletzung der Verpflichtung zur Bereitstellung von Verträgen mit kurzer Laufzeit hat. Es erscheint zweifelhaft, dass ein Verstoß gegen die zuvor genannte gesetzliche Regelung dazu führt, dass Vereinbarungen mit längerer Laufzeit unwirksam sind.
Rz. 80
§ 57 Abs. 1 TKG gibt den Unternehmen das Recht zur einseitigen Änderung von Vereinbarungen mit Endnutzern, wobei dann Endnutzer ein fristloses kostenfreies Sonderkündigungsrecht haben, wenn Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen Anpassungen unter einem Änderungsvorbehalt in ihren AGB vornehmen. § 57 Abs. 2 TKG schreibt Anbietern vor, dass sie Endnutzer mindestens einen Monat, höchstens zwei Monate vor Wirksamwerden von Vertragsänderungen über diese belehren. Unterbleibt eine Belehrung, die den dort festgelegten Mindestanforderungen genügt, wird die Sonderkündigungsfrist nicht in ...