Das Ende der Umlagefähigkeit der TV-Grundversorgung
Die Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) 2021 hat die schöne alte Multimediawelt gehörig durcheinander geschüttelt. Mit der TKG-Novelle hat die Politik mehrere Ziele gleichzeitig verfolgt:
- Das Aufbrechen eines der letzten "natürlichen" Monopole mit Trennung von Kabel und Signal,
- die Wahlfreiheit beim Bezug von multimedialen Diensten nach dem Prinzip der Konsumentensouveränität,
- das Ermöglichen von Wettbewerb im Kabelnetzgeschäft und
- den Ausbau der Glasfaserinfrastruktur als Beitrag zur digitalen Modernisierung Deutschlands.
Was ändert sich mit der TKG-Novelle?
Mit den ersten beiden Aspekten werden den Mieterinnen und Mietern neue Optionen eingeräumt. Dazu gehört vor allem das Ende des Sammelinkassos der Kabelgrundgebühren über die Betriebskostenabrechnung zum 30.6.2024. Ab diesem Zeitpunkt müssen alle aktiven Lieferverhältnisse auf Einzelinkasso umgestellt werden (gilt auch für SAT-Anlagen).
Das heißt für Wohnungsunternehmen, dass für Kleinbeträge der TV-Grundgebühr ein eigener Rechnungslegungsprozess aufgebaut werden muss, der das Vertragsmanagement sowie das Mahn- und Klagewesen umfasst. Dazu gehört auch, dass gegebenenfalls die Fernsehsignallieferung unterbrochen werden muss, um Schwarzsehen zu verhindern. Teuer wird es, wenn externe Handwerker immer wieder an die Schaltschränke müssen. Kabelnetzbetreiber lassen sich den Aufwand mit einer Managementgebühr von zirka 2,50 Euro pro Monat und Vertrag honorieren.
Aus Mietersicht relevant ist, dass die TV-Grundversorgung ab dem 1.7.2024 gegenüber den Wohnungsunternehmen gekündigt werden kann, wenn der Dienst über die Betriebskosten abgerechnet wird. Das "Opt-Out-Recht" greift, wenn das Mietverhältnis mindestens 24 Monate besteht. Wenn der Telekommunikationsdienst Teil der Kaltmiete ist, kann sofort gekündigt werden. Neue Telekommunikationsverträge zwischen Mietern und TK-Anbietern dürfen eine Vertragslaufzeit von zwölf beziehungsweise 24 Monaten nicht überschreiten. Es wird also entscheidend auf das Preisniveau und den Leistungsumfang des Fernsehangebots (Fremdsprachenprogramme, Nischensender, HD- und UHD-Angebote) ankommen, ob Mieter kündigen oder nicht.
Breitbandkabelnetze: Wettbewerb mit der Brechstange
Verschärfend wirkt das Sonderkündigungsrecht für alle vor dem 1.12.2021 geschlossenen Gestattungsverträge, ebenfalls ab dem 1.7.2024. Dieses soll insbesondere Wohnungsunternehmen in die Lage versetzen, zeitgleich mit dem Ende des Sammelinkassos Tabula rasa zu machen und das gesamte Kabelgeschäft technisch und vertraglich neu zu gestalten.
Aber Achtung: Die Kündigung betrifft nur den Gestattungsvertrag für die Nutzung der Gebäude und für den Betrieb der NE-4-Netze. Die Sonderkündigung ändert nichts an den Eigentumsverhältnissen, falls die Netze den TK-Betreibern gehören. In diesem Fall ist Streit absehbar, erleidet doch der Netzeigentümer erhebliche wirtschaftliche Nachteile, weil er das ihm gehörende Netz faktisch dann nicht mehr nutzen kann.
Eine rechtliche Grauzone ist auch der Umgang mit den bilateralen Lieferverträgen, zum Beispiel für TV-Zusatzpakete oder Internetzugänge, zwischen TK-Betreibern und Mieterinnen und Mietern, wenn das Wohnungsunternehmen den Rahmen- beziehungsweise Gestattungsvertrag gekündigt hat. Hier drohen TK-Betreiber offen mit der "Rückkehr durch die Hintertür", indem sie die im TKG vorgesehenen Mitbenutzungs- und Duldungsrechte ins Feld führen. Unter Umständen drohen hier Gerichtsverfahren, wenn man sich nicht einigen kann.
Umsetzungsszenarien und Investitionswege für Wohnungsunternehmengemäß TKG neu / TKModG 2021 (Manche Optionen stehen nur auf dem Papier) Szenario A: Auslaufen der Umlagefähigkeit in ihrer bisherigen Form Ausgangslage: Umlagefähigkeit von Kosten der
Danach sind nur noch Kosten Betriebsstrom beziehungsweise Prüfung Betriebsbereitschaft bei Antennen und deren Einstellung durch Fachkraft umlegbar. Szenario B: Umwandlung Bestandsglasfaser-Gestattungsverträge in Glasfaserbereitstellungentgelt Zwischen 1.1.2015 und 1.12.2021 errichtete Glasfaserinfrastruktur:
Szenario C: Glasfaserbereitstellungsentgelt (Ausbau durch Netzbetreiber im Auftrag des Grundstückseigentümers)
Nach Laufzeitende muss der Grundstückseigentümer den Netzbetrieb sicherstellen, gegebenfalls durch Wartungsvertrag mit dem Netzbetreiber. Szenario D: Ausbau durch Grundstückseigentümer mit Modernisierungsumlage
Szenario E: Ausbau durch Netzbetreiber oder Gebäudeeigentümer
Quelle: Connekt/Latus Consulting |
Investitionen in neue Glasfasernetze
Politisch gewollt ist die Installation kompletter Glasfasernetze innerhalb der Gebäude (fiber to the home, FTTH auf der Netzebene 4). Ein Ausbauzwang besteht allerdings nicht! Bei Neubauten und grundlegenden Sanierungsmaßnahmen ist seit Ende 2016 lediglich die Installation von geeigneten Leerrohren, in die man Hochgeschwindigkeitskabel einziehen kann, baurechtlich geboten. Umstritten ist, ob ein mit DOCSIS1 aufgerüstetes Koaxialnetz oder ein CAT-7-Netz2 ebenfalls dazu zählt. Die Glasfasernetze können vom Wohnungsunternehmen oder von einem Anbieter installiert werden.
Was passiert, wenn Wohnungs- und Gebäudeeigentümer infrastrukturell alles beim Alten belassen, nicht investieren und lediglich die Nutzerverträge auf Einzelinkasso umstellen? Zunächst einmal nichts. Der Druck kommt dann von zwei Seiten: Mieter wünschen, angeregt durch Marketingkampagnen und Medienberichte, Alternativen zum etablierten TK-Betreiber – was bei Koaxial-Netzen technisch nahezu unmöglich ist.
Wenn dann erste Verträge zwischen Drittanbietern und Mietern abgeschlossen werden, kann dieser dritte TK-Betreiber den Zugang in die Gebäude erzwingen und auf eigene Kosten und gegen den Willen des Gebäudeeigentümers Glasfaserkabel bis zum Kunden verlegen. Anders ausgedrückt: Ungebetenen Zutritt kann man dauerhaft nur durch eigene technische Stärke und ein wettbewerbsfähiges Angebot attraktiver Multimediaangebote abwehren, nicht durch juristische Abwehrkämpfe. Wer heute Verträge mit TK-Betreibern abschließt, die den Ausbau von FTTH ausschließen, wächst automatisch in dieses Risiko hinein.
Finanzierungsinstrumente für Glasfasernetze
Der Gesetzgeber hat mit dem Glasfaserbereitstellungsentgelt und der Erweiterung der Modernisierungsumlage zwei neue Finanzierungsinstrumente geschaffen.
Ersteres (Glasfaserbereitstellungsentgelt) dient dem Netzausbau durch einen dritten Netzbetreiber im Auftrag des Wohnungsunternehmens. Dafür zahlen alle Mieter über ihre Betriebskosten – unabhängig vom Abschluss irgendwelcher Multimedia-Verträge – über fünf Jahre (in begründeten Ausnahmefällen bis neun Jahre) ein Entgelt von 300 Euro pro Wohnung (in Ausnahmefällen bis zu 540 Euro). Danach sind die Netze abbezahlt, das Eigentum geht auf das Wohnungsunternehmen über. Der Netzzugang für alle TK-Betreiber ist prinzipiell offen und nahezu gratis.
Das Zweite (die Modernisierungsumlage für Glasfasernetze) entspricht der bekannten Systematik und soll von jenen Wohnungsunternehmen genutzt werden können, die selbst investieren wollen. Auch hier müssen die Netze diskriminierungsfrei jedem TK-Betreiber gegen Erstattung der geringen Betriebskosten offenstehen (Open Access).
Beide Instrumente werden aber nur sehr selten genutzt. Die Gründe liegen auf der Hand: Beim Glasfaserbereitstellungsentgelt wird eine neue – wenn auch zeitlich befristete – Zwangsumlage geschaffen. Die Modernisierungsumlage ist aktuell bei nahezu allen Unternehmen für die energetische Sanierung der Bestände reserviert. Der gewünschte Wettbewerb kommt also – mangels Glasfaser auf der NE 4 – noch nicht in Schwung.
Was bleibt, ist der komplett eigenwirtschaftliche Ausbau von Glasfasernetzen bis in die Wohnungen (FTTH) entweder durch die Gebäudeeigentümer oder durch TK-Betreiber. Die Preise für die Nutzung der dann immer noch grundsätzlich für alle offenen Netze sind frei verhandelbar und richten sich nach dem Kundenpotenzial, also der Wohnungsdichte, dem örtlichen Wettbewerb und der Zahlungsfähigkeit beziehungsweise -willigkeit der Mieter. Und: Je früher die alten Koaxialleitungen stillgelegt werden, desto eher erwirtschaftet die Glasfaser ihre Deckungsbeiträge.
TKG: Handlungsoptionen und Entscheidungszwänge
Die einzige wirkliche Entscheidung, die das neue TKG den Wohnungsunternehmen abverlangt, ist die Frage, wer ab Juli 2024 die TV-Grundversorgung liefert und wer sie einzelvertraglich abrechnet. Dazu bedarf es Verhandlungen mit dem aktuellen Kabelnetzbetreiber.
Sehr schnell wird aber jedes Wohnungsunternehmen merken, dass sich daran die grundsätzliche Frage des zukünftig gewünschten Kabelnetzgeschäftsmodells anschließt. Dazu gehört eine eigene Positionierung: Welche finanziellen und personellen Ressourcen wollen wir einsetzen? Welche Umsatzerwartungen haben wir? Wollen wir eine Glasfaser-NE 4 und wenn ja, in welchen Beständen und mit welcher Schrittfolge? Wie teuer soll die Grundversorgung insbesondere für die Transfereinkommensbezieher werden, die die Kosten aus ihrem Regelsatz bestreiten müssen?
Aus der Positionierung lässt sich ein Pflichten- und Lastenheft ableiten, um die sich anschließenden Verhandlungen mit Kabelnetzbetreibern transparent, fair und rechtskonform zu gestalten.
Geschäftsmodellvarianten – Breitbandwertschöpfung und MarktrollenIm Breitbandmarkt kann man infrastrukturbasierte Geschäftsmodelle in vier Basismarktrollen unterteilen. Im Koax-Bestand nehmen viele Wohnungsunternehmen heute die Rolle 1 ein.
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Natürlich lassen sich eine Vielzahl weiterer Geschäftsmodellvarianten und die präzisen Kosten des Glasfaserausbaus auf der NE 4 kalkulieren. Dies macht allerdings nur Sinn, wenn eine grundsätzliche Bereitschaft besteht, mehr Wertschöpfung anzustreben als die bloße Verpachtung von eigenen Kabelnetzen oder gar die reine Gestattung des Zugangs in Gebäude und Wohnungen.
Rahmenvertrag zwischen GdW und Telekom
Mit dem im Sommer 2023 vorgestellten ersten Rahmenvertrag zwischen GdW und Telekom sowie dem Rahmenvertrag mit dem Kabelverband FRK wird der Glasfaserausbau innerhalb der Gebäude (FTTH) einen Schub bekommen, markiert er doch ein wichtiges Signal pro FTTH in die TK-Branche hinein. Allerdings müssen sich diese Rahmenverträge (ein weiterer mit der Telekom und mit anderen Kabelnetzbetreibern soll folgen) erst noch in der Realität bewähren.
Auch sind offenbar noch Detailfragen offen beziehungsweise gibt es in wichtigen Aspekten eine unterschiedliche Auslegung des gesetzlichen Rahmens. Hier heißt es, genau hinzuschauen und Vertragsentwürfe sowie Rahmenverträge individuell nach den eigenen Prioritäten nachzuverhandeln. Die Praxis zeigt, dass dies möglich ist.
Das alles kostet Zeit. Sinn macht in jedem Fall eine Analyse der eigenen technischen und vertraglichen Ausgangslage sowie die Festlegung der eigenen Position(en). Je nach Umfang der Vorbereitungen auf die eigentlichen Verhandlungen werden zwei bis neun Monate Vorlauf benötigt. Das bedeutet: Je näher der Stichtag 30.6.2024 rückt, desto weniger Handlungsoptionen sind noch vorhanden. Am Ende wird man das unterschreiben müssen, was einem der bisherige TK-Betreiber vorlegt.
Der vollständige Artikel findet sich in der Print-Ausgabe der DW Die Wohnungswirtschaft 11/2023 und in der Wohnungswirtschaft-App.
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