Rz. 6

Der Regelungsbereich des Errichtungsstatuts ist in Art. 26 EuErbVO bestimmt und umfasst insbesondere folgende Aspekte:

Die Testierfähigkeit, Art. 26 Abs. 1 lit. a EuErbVO. Die Unterstellung der Testierfähigkeit unter das Errichtungsstatut hat zur Folge, dass der Erblasser erforderlichenfalls durch eine Rechtswahl seine Testierfähigkeit herbeiführen kann. Für den Vorwurf eines "Missbrauchs" besteht hier aufgrund des sehr engen Rahmens für eine Rechtswahl regelmäßig kein Raum.

Hat eine Person nach dem Errichtungsstatut einmal die Testierfähigkeit erlangt, so beeinträchtigt ein späterer Wechsel des anzuwendenden Rechts gem. Art. 26 Abs. 1 EuErbVO nicht mehr ihre Fähigkeit zur Änderung oder zum Widerruf der Verfügung. Es gilt also ähnlich wie in Art. 26 Abs. 5 S. 2 EGBGB der Grundsatz "semel maior semper maior" auch für die Testierfähigkeit. Freilich dürfte sich wegen des in Europa weitgehend nach unten angeglichenen Mindestalters für die Testierfähigkeit der praktische Einsatzbereich dieser Vorschrift verschieben. Es wird künftig voraussichtlich eher um die Frage gehen, ob eine demente Person, die (im Zustand der Demenz) nach dem Errichtungsstatut wirksam ein Testament errichtet hat, dieses nach einem grenzüberschreitenden Umzug ändern oder widerrufen kann, wenn sie aufgrund der Demenz nach dem neuen Aufenthaltsrecht testierunfähig ist. Diese Frage freilich regelt Art. 26 EuErbVO nicht.

Auch der Ausschluss bestimmter Personen von der testamentarischen Begünstigung soll dem Errichtungsstatut unterliegen, Art. 26 Abs. 1 lit. b EuErbVO. Schwierig ist hier die Abgrenzung zu dem gem. Art. 27 EuErbVO bestimmten Formstatut, wenn die Regelung die Unwirksamkeit daraus herleitet, dass die Verfügung zugunsten eines Testamentszeugen oder zugunsten des beurkundenden Notars, seiner Angestellten oder einer ihm sonst nahe stehenden Person getroffen wurde. Vom Errichtungsstatut dürfte daher der Ausschluss nur dann erfasst sein, wenn er generell gilt; eine der Form zuzuordnende Erbunfähigkeit liegt dagegen vor, wenn es ausschließlich die Begünstigung durch die konkret in Frage stehende Verfügung betrifft.
Wenig praktische Bedeutung dürfte bei Testamenten der Regelung des Art. 26 Abs. 1 lit. c EuErbVO zukommen, wonach auch die Zulässigkeit der Stellvertretung bei der Errichtung einer Verfügung von Todes wegen dem Errichtungsstatut unterliegt. Diese mag eher beim Abschluss von Erbverträgen in Betracht kommen.
Die Auslegung der Verfügung unterliegt gem. Art. 26 Abs. 1 lit. d EuErbVO ebenfalls dem Errichtungsstatut. Dieser Bereich ist praktisch sehr wichtig. Es existieren in jeder Rechtsordnung zahlreiche gesetzliche und richterrechtliche Regeln zur Auslegung, die bisweilen zu sehr gegensätzlichen Ergebnissen gelangen. Wegen der großen Unterschiede in den nationalen Rechtsordnungen kann nur davor gewarnt werden, die hier auftretenden Rechtskollisionen zu unterschätzen und die Auslegung zu einer "Tatsachenfeststellung" zu reduzieren.
Auch die Frage der Feststellung und Rechtsfolgen von Fehlern bei der Testamentserrichtung, wie Irrtum, Täuschung und Nötigung, unterliegen dem Errichtungsstatut, Art. 26 Abs. 2 lit. e EuErbVO. So ist in vielen Rechtsordnungen[4] die Regelung verbreitet, dass Willensfehler und andere Mängel, ja sogar bestimmte Formmängel, nicht ex officio, sondern erst dann beachtet werden können, wenn das Testament von bestimmten Personen angefochten, eine gerichtliche Anfechtungsklage erhoben und hierfür eine bestimmte Frist eingehalten wird.
 

Rz. 7

Die in Art. 26 Abs. 1 EuErbVO vorgenommene Aufzählung ist nur beispielhaft und nicht abschließend.[5] Aus dem Errichtungsstatut ergibt sich daher m.E. auch:

Ob bedingte Arten der Verfügungen (Testament, Kodizill, Erbvertrag) zulässig sind;
insbesondere entscheidet das Errichtungsstatut darüber, ob eine Verfügung in ihrem Bestand von der (korrespektiven) Verfügung eines anderen abhängig gemacht werden kann;[6]
unter welchen Voraussetzungen diese wechselseitige Abhängigkeit vermutet wird und welche Folgen sich aus dem Widerruf der korrespektiven Verfügung für die Verfügung ergeben.[7]
 

Rz. 8

Die Wirkungen des Testaments freilich bleiben dem nach Art. 21, 22 EuErbVO bestimmten Erbstatut ("effektives Erbstatut") unterworfen. Dieses entscheidet beispielsweise darüber, inwieweit der eingesetzte Testamentsvollstrecker über den Nachlass verfügen kann, ob eine Vor- und Nacherbfolge angeordnet werden kann und welche Wirkungen ihr zukommen, inwieweit die testamentarischen Verfügungen aufgrund von Pflichtteilsrechten Angehöriger wieder reduziert werden können etc. Auch insoweit führt eine Nachlassspaltung dazu, dass dasselbe Testament bezüglich unterschiedlicher Nachlassteile unterschiedliche Wirkungen hat.[8]

 

Beispiel:

Hinterlässt eine in Philadelphia lebende Erblasserin in Deutschland unbeweglichen Nachlass und eine Eigentumswohnung in Verona, so gilt für die Erbfolge der Eigentumswohnung aufgrund Verweisung des US-amerikanischen IPR auf die lex rei sitae das italien...

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