Dr. iur. Stephanie Herzog
Rz. 11
Der Erbe muss den Nachlass wie ein Beauftragter für die Nachlassgläubiger verwalten. Tut er dies nicht, so haftet er ihnen nach §§ (1991), 1978 ff. BGB (siehe eingehend § 8 Rdn 82).
Die Ansprüche aus § 1978 Abs. 1 BGB gelten als zum Nachlass gehörend, § 1978 Abs. 2 BGB. Im Falle der Nachlassinsolvenz sind sie vom Nachlassinsolvenzverwalter, § 80 InsO, geltend zu machen, im Falle der Nachlassverwaltung vom Nachlassverwalter, § 1984 BGB. Dies geschieht inter omnes. Ziel ist die Anreicherung des Nachlasses. Die Verwalter verfolgen damit die Interessen sämtlicher Nachlassgläubiger.
Rz. 12
Ist der Nachlass dürftig (§ 1990 BGB), gibt es keinen Verwalter, der die Ansprüche geltend machen könnte. In diesem Fall ermächtigt das Gesetz die Nachlassgläubiger selbst, die Ansprüche mit relativer Wirkung geltend zu machen, § 1991 Abs. 1 BGB.
Hinweis
Der Rechtsanwalt muss den Erben daher von Anfang an zu einer ordentlichen Verwaltung und "Buchführung" anhalten. Denn das Gesetz geht davon aus, dass es die vornehmlichste Pflicht eines jeden Erben ist, die Nachlassgläubiger ausfindig zu machen und die Nachlassverbindlichkeiten zu erfüllen und den Nachlass zuvorderst hierfür aufzuzehren, vgl. §§ 1967 Abs. 1, 1978 Abs. 1, 1979, 1980 Abs. 1 S. 2, 2045, 2046 BGB (siehe oben § 2 Rdn 24). Erst was hiernach und nach Abzug der Kosten für die Nachlassabwicklung verbleibt, kann der Erbe für sich beanspruchen und verbrauchen.
1. Herausgabe und Wertersatz
Rz. 13
Daher hat der Erbe den Nachlassgläubigern nicht nur den verbliebenen Nachlass zur Verfügung zu stellen (außer in den Fällen der §§ 1973, 1974 BGB), sondern schuldet ihnen über §§ 1978 Abs. 1 und 2, (1991 Abs. 1), 667 BGB Herausgabe bzw. Wertersatz von in das Eigenvermögen überführten oder sonst weggegebenen oder verbrauchten oder benutzten Nachlassgegenständen. Geld, das er aus dem Nachlass entnommen oder für eigene Zwecke verwendet hat, hat er zu erstatten und gemäß § 668 BGB verschuldensunabhängig zu verzinsen. Für schuldhafte Pflichtverletzungen bei der Verwaltung des Nachlasses haftet der Erbe nach §§ 1978 Abs. 1, 280 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz. Für einen verspätet gestellten Antrag auf Insolvenzeröffnung haftet der Erbe nach § 1980 Abs. 1 S. 2 BGB; zu ersetzen ist der Schaden, der den Gläubigern durch eine unverzügliche Antragstellung nicht entstanden wäre (sog. Quotenschaden).
2. Aufwendungsersatz
Rz. 14
Im Gegenzug kann der Erbe die Aufwendungen, die er für eine ordnungsgemäße Nachlassverwaltung macht, dem Nachlass entnehmen. Hat er diese aus seinem Eigenvermögen bestritten, so kann er sich gemäß §§ 1978 Abs. 3, 670 BGB beim Nachlass regressieren. Im Falle der Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens ist der Erbe insoweit gemäß § 324 Abs. 1 Nr. 1 InsO vorrangig als Massegläubiger zu befriedigen.
3. Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten
Rz. 15
Die Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten i.S.d. § 1979 BGB haben die Gläubiger als den Nachlasswert mindernd gegen sich gelten zu lassen. Dies gilt aber nur dann, wenn der Erbe den Umständen nach annehmen durfte, dass der Nachlass zur Berichtigung aller Nachlassverbindlichkeiten ausreicht.
Hinweis
Das bedeutet, dass der Erbe nicht ohne Weiteres die sich ihm offenbarenden Nachlassverbindlichkeiten eine nach der anderen befriedigen darf, bis der Nachlass aufgebraucht ist. Denn genügt der Nachlass nicht zur Deckung sämtlicher Nachlassverbindlichkeiten, ist der Erbe gehalten, ein Nachlassinsolvenzverfahren einzuleiten, um die Gleichbehandlung der Nachlassgläubiger sicher zu stellen.
Rz. 16
Der Erbe hat daher die Pflicht, vor einer Zahlung an einen Nachlassgläubiger sorgfältig zu prüfen, welche Aktiva und Passiva im Nachlass vorhanden sind. Um dem nachzukommen, kann es...