Dr. iur. Stephanie Herzog
Rz. 21
Das Gesetz stellt dem Erben verschiedene Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten zur Verfügung, die sich in ein komplexes Gesamtsystem einreihen:
Hinweis
Die Regelungen gelten gemeinhin als umständlich, teuer und nicht zuletzt kompliziert. Nach Bartsch handelt es sich um ein "abstraktes juristisches Meisterstück, das an den Bedürfnissen der Praxis vorbeigeht". In der Tat wurde das allzu komplexe Regelwerk in der Praxis lange Zeit kaum genutzt. Die praktischen Entscheidungen zum Thema mehren sich aber in letzter Zeit. Und in der Tat: Das komplexe Regelwerk kann im Einzelfall eine echte Alternative zur Ausschlagung bzw. Anfechtung der Annahme bieten. Und: Ist die Frist zur Ausschlagung verstrichen und kommt eine Anfechtung – z.B. mangels Anfechtungsgrund – nicht in Betracht, so müssen die – nicht befristeten – Haftungsbeschränkungsmaßnahmen korrekt angewandt werden.
Rz. 22
Dieses System besteht aus verschiedenen materiellen (siehe Rdn 23 ff.) und verfahrensrechtlichen (siehe Rdn 54 ff.) Vorschriften.
Hinweis
Die gesetzlichen Regelungen sind nahezu allesamt auf den streitigen (prozessualen) Fall ausgerichtet. Welche Möglichkeiten sich hieraus für eine außergerichtliche Einigung ergeben, kann nur rückgeschlossen werden.
Diese Vorschriften fügen sich wie folgt ineinander:
1. Grundsätzlich bestehende materiell-rechtliche Haftungsbeschränkungsmittel
a) Die Ausschlagungsfrist als ungefährliche Bedenkzeit
Rz. 23
Während des Laufs der Ausschlagungsfrist kann der Erbe (noch) nicht gerichtlich von Nachlassgläubigern in Anspruch genommen werden, § 1958 BGB (siehe näher § 9 Rdn 2 und § 11 Rdn 8).
b) Vorübergehende Einreden nach der Annahme der Erbschaft – die Dreimonats- und die Aufgebotseinrede
Rz. 24
Nach Annahme der Erbschaft stehen dem Erben (grds. zwei, erweiterbar auf drei; siehe Rdn 27) weitere zeitlich beschränkte Einreden zur Verfügung, durch deren Erhebung eine endgültige Haftung zeitweilig verweigert werden kann, indem die Zwangsvollstreckung nach § 782 S. 1 ZPO beschränkt wird. Vereinfacht gesprochen kann hierdurch zwar nicht Pfändung von Eigenvermögen und/oder Nachlassgegenständen verhindert werden, wohl scheidet aber die Verwertung von gepfändeten Gegenständen aus.
Hinweis
Die vorübergehenden Einreden dienen einerseits dem Schutz des Erben, wenn sie verhindern, dass sein Eigenvermögen verwertet wird.
Sie dienen andererseits dem Schutz der Nachlassgläubiger, indem sie verhindern, dass der Nachlass zugunsten von nur einem von ihnen verwertet wird, solange nicht feststeht, dass der Nachlass zur Befriedigung aller ausreichend ist. Wenn der Nachlass nämlich überschuldet ist, so sollen grds. alle Nachlassgläubiger im Rahmen eines Nachlassinsolvenzverfahrens gleichmäßig befriedigt werden.
Die Einreden schützen außerdem die verschiedenen Gläubigergruppen (Nachlassgläubiger auf der einen und Eigengläubiger auf der anderen Seite) voreinander, wenn die eine Gruppe nicht aus dem eigentlichen Haftungsvermögen der anderen Gruppe endgültige Befriedigung suchen kann.
Dies führt mittelbar auch zu einer Pflicht des Erben, diese Einreden zu erheben. Tut er dies nicht, bevorteilt er einen Gläubiger und macht sich den anderen benachteiligten Gläubigern gegenüber schadensersatzpflichtig.
aa) Dreimonatseinrede
Rz. 25
Die Möglichkeit der vorübergehenden Beschränkung der Vollstreckungsmöglichkeit besteht stets drei Monate nach Annahme der Erbschaft, so nicht zuvor ein Inventar nach §§ 1993 ff. BGB (siehe hierzu näher § 7 Rdn 2 ff.) errichtet wurde, sog. Dreimonatseinrede, § 2014 BGB.
bb) Aufgebotseinrede
Rz. 26
Die Einredemöglichkeit kann verlängert werden, wenn innerhalb eines Jahres ab Annahme der Erbschaft ein Antrag auf ein Aufgebotsverfahren nach §§ 1970 ff. BGB gestellt wird, sog. Aufgebotseinrede, § 2015 BGB.
Hinweis
Die Möglichkeit, ein Aufgebotsverfahren einzuleiten, ist nicht auf diese Jahresfrist beschränkt. Ein entsprechender Antrag kann auch hiernach noch erfolgen. Wenn dieser aber erst nach Ablauf der Jahresfrist gestellt wird, entfällt die Möglichkeit, sich auf § 2015 BGB zu berufen. Der Erbe verliert den "lückenlosen" Schutz. Daher ist es anzuraten, das Aufgebot "fristgerecht" zu bestellen.
cc) Einrede nach § 782 S. 2 ZPO
Rz. 27
Die Möglichkeit, vorübergehend die Vollstreckung "einzufrieren", kann sich weiter "...