Rz. 71
Gem. § 55 Abs. 1 HGB finden die Vorschriften des § 54 HGB auf Handelsvertreter (§ 84 HGB) oder Handlungsgehilfen (§ 59 HGB) ebenfalls Anwendung. Voraussetzung hierfür ist jedoch gem. § 55 Abs. 1 HGB, dass dem Handelsvertreter bzw. dem Handlungsgehilfen eine Handlungsvollmacht erteilt worden ist, die ihn dazu ermächtigt, außerhalb des Betriebes des Prinzipals Geschäfte in dessen Namen abzuschließen. § 91 Abs. 1 HGB erstreckt die Regelung des § 55 HGB auch auf von Nichtkaufleuten erteilte Vollmachten an Handelsvertreter. Nicht erfasst werden von § 55 HGB dagegen die Vermittlungsvertreter (also Handelsvertreter ohne Abschlussvollmacht, § 91 Abs. 2 HGB) und die Vermittlungsgehilfen (§ 75g HGB); diese Personen sind aber immerhin nach § 55 Abs. 4 HGB analog zur Entgegennahme von Rügen und zur Beweissicherung ermächtigt.
Rz. 72
Der Umfang der Vollmacht der Abschlussvertreter richtet sich nach § 55 Abs. 1 HGB i.V.m. § 54 Abs. 1 HGB (vgl. dazu oben Rdn 56 ff.). Sie umfasst also regelmäßig alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die die Vornahme von Geschäften der Art, zu der der Abschlussvertreter bevollmächtigt ist, gewöhnlich mit sich bringt. Neben den Beschränkungen des § 54 Abs. 2 HGB (vgl. dazu oben Rdn 64) unterliegt der Abschlussvertreter weiterhin den Einschränkungen des § 55 Abs. 2 und Abs. 3 HGB. Gem. § 55 Abs. 2 HGB berechtigt die ihm erteilte Vollmacht grds. nicht zur Änderung abgeschlossener Verträge, insb. nicht zur nachträglichen Gewährung von Zahlungsfristen. Zahlungen darf er gem. § 55 Abs. 3 HGB nur annehmen, wenn er hierzu bevollmächtigt ist (Inkassovollmacht).
Rz. 73
Eine Erweiterung der Abschlussvollmacht enthält § 55 Abs. 4 HGB. Nach dieser Vorschrift gelten die Abschlussvertreter als ermächtigt, die Anzeige von Mängeln einer Ware, die Erklärung, dass eine Ware zur Verfügung gestellt werde, sowie ähnliche Erklärungen, durch die ein Dritter seine Rechte aus mangelhafter Leistung geltend macht oder sie vorbehält, entgegenzunehmen. I.Ü. können sie die dem Prinzipal zustehenden Rechte auf Sicherung des Beweises geltend machen.
Hinweis
Das Recht auf Beweissicherung umfasst alle gerichtlichen und außergerichtlichen Maßnahmen einschließlich der Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens nach §§ 485 ff. ZPO. Entgegen des Wortlautes des § 55 Abs. 4 HGB bezieht sich dieses Recht aber nur auf die geltend gemachten Mängel.
Rz. 74
Überschreitet ein Abschlussvertreter seine Vollmachten, gelten die §§ 177 ff. BGB (Vertreter ohne Vertretungsmacht).