Rz. 57
Im Wege des Anscheinsbeweises wird ein schuldhafter Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO zu Lasten desjenigen festgestellt, der im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall in ein Grundstück abgebogen ist. Entscheidend für die Annahme eines Abbiegens in ein Grundstück ist nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift, ob der Abbiegevorgang ein Verlassen des fließenden Verkehrs nach sich zieht, so dass als Grundstück alle Verkehrsflächen (wie beispielsweise auch Parkplätze, Hofeinfahrten etc.) anzusehen sind, die nicht dem fließenden Verkehr dienen. Der in diese Orte abbiegende Fahrzeugführer hat die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen und dabei auch die Sorgfaltsnormen des § 9 Abs. 1 StVO zu beachten, wonach er den Abbiegevorgang rechtzeitig durch Setzen des Blinkers, bei Abbiegen nach links zusätzlich durch ein (wenn möglich) Einordnen zur Fahrbahnmitte hin anzukündigen und doppelte Rückschau zu nehmen hat. Im Wege des Anscheinsbeweises wird eine Verletzung der doppelten Rückschaupflicht vermutet.
Rz. 58
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Muster 4.21: Alleinhaftung beim Abbiegen in ein Grundstück
Im Wege des Anscheinsbeweises wird ein schuldhafter Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO zu Lasten desjenigen vermutet, der im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall in ein Grundstück abgebogen ist (OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.4.2019 – I 1 U 108/18 – juris; OLG Bremen, Urt. v. 1.9.2009 – 3 U 36/09 = MDR 2010, 26; KG, Urt. v. 7.10.2002 – 12 U 41/01 = MDR 2003, 507; OLG Dresden, Urt. v. 24.4.2002 – 11 U 2948/01 = SP 2003, 304). Dies insbesondere im Hinblick auf die in § 9 Abs. 1 S. 4 StVO zugrunde gelegte doppelte Rückschaupflicht (OLG Stuttgart, Urt. v. 4.6.2014 – 3 U 15/14 = SP 2014, 404 ff.; OLG Naumburg, Urt. v. 12.12.2008 – 6 U 106/08 = VersR 2009, 373). Hierhinter tritt die einfache Betriebsgefahr eines anderen unfallbeteiligten Fahrzeugs zurück (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.2.2012 – 15 U 15/12 = SP 2012, 392; OLG München, Urt. v. 11.6.2010 – 10 U 2282/10 = NJW Spezial 2010, 489; OLG Hamburg, Beschl. v. 20.3.2012 – 15 U 15/12 – juris; KG, Urt. v. 15.8.2005 – 12 U 41/05 = NZV 2006, 309; OLG Koblenz, Urt. v. 26.1.2004 – 12 U 1439/02 = NZV 2005, 413).
Rz. 59
Der Anscheinsbeweis wegen eines schuldhaften Verstoßes gegen § 9 Abs. 5 StVO greift auch zu Lasten desjenigen ein, der im zeitlichen Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall ein Wendemanöver durchgeführt hat. Der wendende Fahrzeugführer haftet grundsätzlich ebenfalls alleine, es sei denn, er kann dem anderen Unfallbeteiligten ebenfalls ein Verschulden nachweisen.
Rz. 60
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Muster 4.22: Alleinhaftung bei Wendemanöver
Im Wege des Anscheinsbeweises wird ein schuldhafter Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO zu Lasten desjenigen vermutet, der im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang gewendet hat (OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.9.2016 – I 1 U 146/15 – juris; OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.5.2011 – I-1 U 132/10 = SP 2012, 66; KG, Beschl. v. 31.8.2009 – 12 U 129/09 = NZV 2010, 468, vgl. auch BGH, Urt. v. 4.6.1985 – VI ZR 15/84 = DAR 1985, 316). Hinter diesem überragenden Fehlverhalten tritt die einfache Betriebsgefahr eines anderen unfallbeteiligten Fahrzeugs in vollem Umfang zurück (OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.10.2015 – I 1 U 179/14 – juris; OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.5.2011 – I-1 U 132/10 = SP 2012, 66; KG, Beschl. v. 31.8.2009 – 12 U 129/09).
Rz. 61
Der Anscheinsbeweis greift auch dann ein, wenn der Unfall sich im zeitlichen Zusammenhang mit einer Rückwärtsfahrt ereignet. Hier wird ebenfalls ein schuldhafter Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO vermutet, der zu einer alleinigen Haftung des Rückwärtsfahrenden führen kann.
Rz. 62
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Muster 4.23: Alleinhaftung bei Rückwärtsfahrt
Im Wege des Anscheinsbeweises wird ein schuldhafter Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO zu Lasten desjenigen vermutet, der im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall rückwärts gefahren ist (BGH, Urt. v. 15.12.2015 – VI ZR 6/15 = MDR 2016, 2668: BGH, Urt. v. 27.6.1.2016 – VI ZR 179/15 = NJW Spezial 2016, 138; OLG Köln, Urt. v. 13.7.2011 – 5 U 26/11 = DAR 2011, 640; OLG Saarbrücken, Urt. v. 24.8.2004 – 3 U 739/03 = zfs 2005, 13). Hinter diesem überragenden Fehlverhalten tritt die einfache Betriebsgefahr eines anderen unfallbeteiligten Fahrzeugs in vollem Umfang zurück (OLG Köln, Urt. v. 2.6.1997 – 19 U 213/96 = SP 1998, 43).
Rz. 63
Häufig verteidigt sich der Rückwärtsfahrende mit dem Argument, er habe sein Fahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision bereits zum Stillstand gebracht. Dies vermag aber in den meisten Fällen nicht zu überzeugen, solange noch ein zeitlicher und räumlicher Zusammenhang zwischen der Rückwärtsfahrt und dem Unfallereignis besteht. Auch hier greift der Anscheinsbeweis zu Lasten des Rückwärtsfahrenden ein. Ansonsten wäre es auch dem Zufall überlassen, ob es dem Rückwärtsfahrenden gelingt, sein Fahrzeug (gerade noch) vor der Kollisio...