a) Verfügung gegenüber der Erbengemeinschaft
Rz. 44
§ 2040 Abs. 1 BGB gilt auch entsprechend für Verfügungen gegenüber der Erbengemeinschaft, obgleich diese vom Wortlaut nicht ausdrücklich umfasst sind. Es folgt jedoch aus dem Rechtsgedanken des Abs. 1: Würde bspw. lediglich ein Miterbe auf Auflassung eines Grundstückes durch Klage in Anspruch genommen und verurteilt werden, so nützt dem Gläubiger das rechtskräftige Urteil wegen Abs. 1 nichts, wenn die übrigen Miterben nun ihrerseits die Auflassung verweigern (zum prozessualen Vorgehen siehe § 9 Rdn 40).
Rz. 45
Bei Verfügungen, die eine Mitwirkung der Erbengemeinschaft nicht erfordern, kann daher nichts anderes gelten. Deswegen sind Gestaltungserklärungen wie Kündigung oder Rücktritt stets gegenüber allen Miterben zu erklären. Bei der Anfechtung ist zu unterscheiden, ob eine Erklärung anzufechten ist, die gegenüber dem Erblasser abgegeben worden war (dann Anfechtung gegenüber allen Miterben als Rechtsnachfolgern) oder eine Erklärung, die lediglich einem Miterben gegenüber abgegeben worden war (dann Anfechtung gegenüber diesem Miterben, wobei die weitere Wirksamkeit des Vertrages dann nach § 139 BGB zu beurteilen ist).
b) Verfügung ohne Zustimmung aller Erben
Rz. 46
Fraglich bleibt die Rechtsfolge, bei Verfügung eines oder mehrerer Miterben, jedoch ohne Zustimmung aller Miterben. Würde man § 2040 BGB als lex specialis zu § 2038 BGB verstehen, so wäre die Verfügung bis zur Genehmigung schwebend unwirksam. Würde die Genehmigung versagt oder war bereits im Vorfeld die Einwilligung verweigert worden, so ist die Verfügung endgültig unwirksam. Handelt es sich bei der Verfügung um eine Gestaltungserklärung (Anfechtung, Kündigung, Rücktritt usw., vgl. auch oben Rdn 43) wirkt eine Genehmigung abweichend von §§ 185 Abs. 2, 184 Abs. 1 BGB nicht rückwirkend.
Vertritt man mit dem BGH dagegen die Auffassung, dass § 2038 Abs. 1 S. 2 BGB für Verfügungen lex specialis zu § 2040 BGB ist (bzw. im Einzelfall sein kann), so könnte eine nicht einstimmig vorgenommene Verfügung dennoch wirksam sein, wenn es sich um eine Maßnahme der Notverwaltung (§ 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB) oder der ordnungsgemäßen Verwaltung (§ 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB) handelt. Zu Einzelheiten zu den hier auftretenden rechtlichen und praktischen Problemen und zu weiteren Nachweisen vgl. Rdn 48, 78 ff. und Rdn 124 ff.
Rz. 47
Der Verfügungsempfänger, auch ein Miterbe, kann i.R.d. allgemeinen Vorschriften gutgläubig erwerben, §§ 932 ff., 892 BGB. Der eigenmächtig verfügende Miterbe haftet dann ggf. der Erbengemeinschaft auf Schadensersatz gem. §§ 816 Abs. 1 S. 1, 823 Abs. 1 BGB. Regelmäßig ist dieses Handeln jedoch nicht gem. § 266 StGB strafbar (zur Untreue siehe § 25 Rdn 60).
Rz. 48
Nach der Änderung der Rechtsprechung des BGH im Jahr 2005 und der daran anschließenden Rechtsprechung des BGH zum Verhältnis von § 2038 BGB zu § 2040 BGB bei Verfügungen der Erbengemeinschaft bleiben für die Praxis mehr Fragen offen als gelöst wurden:
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Welche Verfügungen werden von dieser Rechtsprechung erfasst? |
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Welche Möglichkeiten hat die Mehrheit der Erben (oder im Rahmen der Notverwaltung die Minderheit) Verfügungen mit Wirkung für die gesamte Erbengemeinschaft vorzunehmen? |
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Gewährt die Mehrheitsentscheidung nach §§ 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 1, 745 BGB auch die Vollmacht, die Auflassung von zum Nachlass gehörenden Immobilien zu erklären (siehe hierzu Rdn 78)? |
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Muss das Grundbuchamt aufgrund einer derartigen Mehrheitsentscheidung einen Eigentumswechsel im Grundbuch eintragen? |
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Inwieweit muss sich das Grundbuchamt von dem Vorliegen der Voraussetzungen (Mehrheitsentscheidung, Ordnungsmäßigkeit der Maßnahme, möglicherweise auch das "Vorliegen besonderer Umstände" (vgl. hierzu Rdn 79), daraus folgende Vertretungsmacht) überzeugen können? |
Vor der Änderung der Rechtsprechung des BGH war es überwiegende Auffassung in der Literatur und Rechtsprechung, dass auch eine Mehrheitsentscheidung gem. § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB der Erbengemeinschaft nicht die Zustimmung aller Miterben zu einer Verfügung ersetzt, sondern lediglich eine Verpflichtung begründet, an der Verfügung mitzuwirken oder einzuwilligen. Diese Verpflichtung war dann ggf. im Wege der Klage durchzusetzen (siehe hierzu § 9 Rdn 40). Nach § 2040 BGB gibt es kein "Notverfügungsrecht". Die Rspr. wendet hier jedoch schon seit geraumer Zeit § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB auf Verfügungen als "vorrangige" Norm an.