Julia Roglmeier, Dr. Christopher Riedel
a) Einkommensteuer
Rz. 356
Einkommensteuerrechtlich wird die Fortsetzungsklausel so behandelt, als habe der Ausgeschiedene seinen Gesellschaftsanteil an die anderen Gesellschafter veräußert. Die seinen Erben zustehende Abfindung bildet die Gegenleistung der die Gesellschaft fortsetzenden Gesellschafter.
Rz. 357
Übersteigt die Abfindung den Buchwert des sog. Mitunternehmeranteils des Verstorbenen, entsteht noch in seiner Person ein Veräußerungsgewinn, der nach den §§ 16 Abs. 1 Nr. 2, 34 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 EStG tarifermäßigt sein kann. Die Erben selbst erhalten die Abfindung einkommensteuerfrei.
Rz. 358
Die fortsetzenden Gesellschafter haben Anschaffungskosten in Höhe des jeweils auf sie entfallenden Teils der Abfindung. Sie sind bis zur Höhe der anteiligen Teilwerte auf die Anteile des Ausgeschiedenen an den bilanzierten Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens zu verteilen. Ein etwaiger Restbetrag entfällt anteilig auf noch nicht bilanzierte immaterielle Wirtschaftsgüter, so es sie gibt, oder auf einen noch nicht bilanzierten Firmen- oder Geschäftswert. Die Gesellschafter weisen diese Anschaffungskosten in sog. Ergänzungsbilanzen aus. Da die zu zahlende Abfindung eine Betriebsschuld darstellt, sind etwaige Finanzierungskosten als Betriebsausgaben abziehbar.
Rz. 359
Liegt die Abfindung unter dem Kapitalkonto des Ausgeschiedenen, kommt es darauf an, ob dafür familiäre oder betriebliche Gründe maßgebend sind. Nur im zweiten Fall entsteht beim Verstorbenen ein Veräußerungsverlust; im ersten Fall ist das Ausscheiden einkommensteuerneutral, da es sich um eine unentgeltliche Übertragung des Mitunternehmeranteils handelt.
b) Erbschaftsteuer
Rz. 360
Das Eingreifen einer gesellschaftsvertraglichen Fortsetzungsklausel führt zu einem Anwachsungserwerb der verbleibenden Gesellschafter, der (an und für sich) erbschaftsteuerlich keine Bereicherung darstellen muss. Wird im Gegenzug zur Anwachsung an die Erben des Verstorbenen eine vollwertige Abfindung (entsprechend dem gesetzlichen Regelfall § 738 Abs. 1 S. 2 BGB) gezahlt, scheidet eine steuerpflichtige Vermögensmehrung bei den verbleibenden Gesellschafter aus.
Rz. 361
Eine steuerpflichtige Bereicherung der Mitgesellschafter tritt allerdings ein, wenn diese, z.B. aufgrund entsprechender gesellschaftsvertraglicher Vereinbarungen, nur eine geringere Abfindung zu zahlen haben. Die Steuerpflicht ergibt sich dann aus der Spezialnorm § 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 ErbStG.
Die Vorschrift ist extra auf Fälle der gesellschaftsrechtlichen Nachfolge in Gesellschaftsanteile (sowohl bei Personen- als auch bei Kapitalgesellschaften) zugeschnitten und enthält zwei Fiktionen: Zum einen fingiert das Gesetz, dass der Anteilserwerb durch Anwachsung unentgeltlich erfolge, zum anderen, dass der Umfang der eintretenden Bereicherung (Bemessungsgrundlage) der Differenz zwischen dem steuerlich maßgeblichen Wert des Anteils im Todeszeitpunkt und dem Wert der tatsächlich zu begleichenden Abfindungsansprüche Dritter (insbesondere der Erben des verstorbenen Gesellschafters) entspreche.
Eine effektive Steuerbelastung setzt also voraus, dass der gem. § 12 Abs. 5 ErbStG i.V.m. § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BewG festzustellende Steuerwert des Anteils den Wert des Abfindungsanspruchs übersteigt. Dies ist nach aktuellem Erbschaftsteuer- bzw. Bewertungsrecht bei abfindungsbeschränkenden Vertragsklauseln regelmäßig gegeben.
Rz. 362
Da durch § 3 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 ErbStG der steuerpflichtige Erwerb aufgrund des Eingreifens einer gesellschaftsvertraglichen Fortsetzungsklausel als Erwerb von Todes wegen definiert bzw. fingiert wird, ist der Anwendungsbereich der §§ 13a ff. ErbStG grundsätzlich eröffnet.