Rz. 194
Das Interesse des Verantwortlichen kann sich zudem mit einem "öffentlichen" Interesse "verbinden". Dies ist nicht zu verwechseln mit einem vom Verantwortlichen verfolgten "Drittinteresse", da sich dieses auf das eines bestimmten Dritten richten muss. Ein "Informationsinteresse der Öffentlichkeit" findet sich oft im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, nicht nur – aber häufig – im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Presse. Denkbar sind derartige parallele öffentliche Interessen auch im Zusammenhang mit der Aufgabenwahrnehmung von Verbraucherschutzorganisationen und sonstigen Interessenvertretungen, aber auch im Bereich der vornehmlich durch private Interessen geleiteten Verarbeitungen.
Rz. 195
Verarbeitungen können dabei, insbesondere in Form des Erfassens und Offenlegens, unter Berücksichtigung eines "berechtigen Interesses" zugleich ein bestehendes "schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit" fördern.
(1) Informationsvermittlungen durch Verbraucherzentralen
Rz. 196
Ein Beispiel aus Deutschland ist hier ein durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördertes Projekt des Bundesverbands der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände (Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv)) im Bereich der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln. Über das Internetprotal lebensmittelklarheit.de bietet der vzbv Verbraucherinnen und Verbrauchern, die sich durch die Aufmachung von Produkten oder die Werbung dafür getäuscht fühlen, die Möglichkeit, sich aktiv in den Diskussionsprozess über die unklare Kennzeichnung von Lebensmitteln oder über irreführende Produktaufmachungen einzubringen. Der Verbraucherzentrale-Bundesverband und die Verbraucherzentralen veröffentlichen hierüber entsprechende Beschwerden. Auch wenn das Portal vornehmlich Produkte großer Hersteller adressiert, sind die Beschwerdemöglichkeiten hier durchaus nicht auf solche Produkte und Lebensmittel beschränkt. sondern In der Praxis ist auch eine Beschwerde gegenüber Produkten von Einzelhändlern möglich, die ihrerseits nicht über eine Kapitalgesellschaft, sondern als natürliche Person agieren. In einem solchen Fall würde dann neben dem Produkt auch die natürliche Person in einer Meldung auf der Internetseite erscheinen. Der vzbv verfolgt mit diesem Portal zunächst die in seinem eigenen Satzungszweck festgeschriebenen Aufgaben und nutzt selbiges auch aktiv zur "Anspruchsdurchsetzung" gegenüber Herstellern, was als berechtigtes Interesse angesehen werden kann. Gleichsam, dies verdeutlicht auch die finanzielle Förderung durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, fördert das Projekt auch schutzwürdige Allgemeininteressen. Derartige "identifizierbare" Berichterstattungen finden sich auch in weiteren Veröffentlichungen des vzbv. Auch hier verfolgt der Verband neben eigenen Interessen, z.B. in Form eines Tätigkeitsnachweises gegenüber seinen Mitgliedern und der Öffentlichkeit, auch Allgemeinwohlbelange.
(2) Presseinformationen durch Wettbewerber
Rz. 197
Gerade in wettbewerblichen Auseinandersetzungen sind – neben den Interessen eines anspruchstellenden Mitbewerbers – oft auch Interessen anderer Markteilnehmer betroffen. Dies gilt insbesondere für die Fälle irreführender geschäftlicher Handlungen, über die sich Unternehmen und Unternehmer im Markt Wettbewerbsvorteile verschaffen oder verschaffen wollen. Aber auch in den Fällen, in denen in sonstiger Weise Verbraucherinteressen berührt werden, können neben den Interessen des Wettbewerbs sonstige Allgemeininteressen betroffen sein. Die UGP-Richtlinie sieht für diese Fälle zwar vor, dass ein Gericht, für den Fall der Feststellung eines solchen Verhaltens (auf Antrag) die Veröffentlichung eines Urteils anordnen kann; hiervon wird in der Praxis jedoch nur selten Gebrauch gemacht. Dies soll nicht bedeuten, dass Fälle derartiger "Bekanntmachungen" über wettbewerbliche Verfahren nicht existieren; sie erfolgen lediglich zumeist ohne entsprechende gerichtliche Anordnung. Unabhängig von der Frage der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit derartiger Handlungen, mit der Mitbewerber zunächst ein eigenes geschäftliches Interesse verfolgen, kann der Gang an die Öffentlichkeit zugleich auch ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit befriedigen. Dies gilt insbesondere dort, wo grundlegende Verbraucherinteressen von einer Wettbewerbshandlung betroffen sind. In einem solchen Fall können auch derartige Interessen in die datenschutzrechtliche Abwägung einer Verarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO einzustellen sein.