Rz. 1

Wer auf öffentlichen Straßen ein Kraftfahrzeug führt, bedarf nach § 2 Abs. 1 S. 1 StVG der Erlaubnis (Fahrerlaubnis) der zuständigen Behörde (Fahrerlaubnisbehörde). Die FE ist nach § 2 Abs. 2 Ziff. 3 StVG für die jeweilige Klasse zu erteilen, wenn der Bewerber – neben anderen Voraussetzungen – zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist.

 

Rz. 2

Nach § 2 Abs. 4 StVG (vgl. auch § 11 Abs. 1 FeV) ist geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wer

die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und
nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat.
 

Rz. 3

Ist der Bewerber aufgrund körperlicher oder geistiger Mängel nur bedingt zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet, so erteilt die Fahrerlaubnisbehörde die FE mit Beschränkungen oder unter Auflagen, wenn dadurch das sichere Führen von Kraftfahrzeugen gewährleistet ist.

 

Rz. 4

Damit umfasst die Eignung die

körperliche und geistige Eignung,
charakterliche Eignung (beschrieben durch das Ausschließen von Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze),
bedingte Eignung.
 

Rz. 5

Die weitere Konkretisierung der Eignung erfolgt durch die §§ 1114 FeV sowie durch die Anlagen 4, 4a, 5, 6 zur FeV.

 

Rz. 6

Schließlich spielen hier auch die Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung,[1] die im Vorwort als 6. Auflage des Gutachtens "Krankheit und Kraftverkehr" bezeichnet werden,[2] eine Rolle.[3]

 

Rz. 7

Verhältnis zwischen den Anlagen zur FeV und den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung: Der Verordnungsgeber selbst geht davon aus, dass es nicht Aufgabe der in Anlage 4 zur FeV aufgestellten Tabelle ist, eine abschließende Regelung zu treffen, weder hinsichtlich der Aufzählung von Mängeln, noch inhaltlich in Bezug auf die Bewertung der Eignung/Nichteignung. Dies ergibt sich bereits aus der Formulierung in § 11 Abs. 1 S. 2 FeV ("insbesondere nicht"). Auch durch die Vorbemerkung in Anlage 4 wird dies aber noch verdeutlicht.[4] Auch Gehrmann[5] geht dementsprechend davon aus, dass sich die "körperlichen und geistigen Anforderungen" i.S.d. Eignung aus Anlagen 4 und 5[6] zur FeV sowie aus dem Gutachten "Krankheit und Kraftverkehr" ergeben. Schließlich spricht auch die BR-Drucks 443/98[7] im Zusammenhang mit § 14 FeV davon, dass sich " hieraus i.V.m. Anlage 4 und den Begutachtungs-Leitlinien "Kraftfahreignung" ergibt, "dass ein Eignungsmangel vorliegt. Wird durch die ärztliche Untersuchung zwar Konsum ("Einnahme") festgestellt, aber keine Abhängigkeit, ist bei der Beurteilung der Fahreignung nach Anlage 4 und den Begutachtungs-Leitlinien "Kraftfahreignung zu differenzieren"."

 

Rz. 8

Soweit die Begutachtungs-Leitlinien die in den maßgebenden Fachkreisen allgemein und zweifelsfrei anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnisse und Grundsätze festschreiben, sind sie als antizipierter Sachverstand[8] für Verwaltung und Gerichte grundsätzlich bindend.[9] Ergeben sich anerkannte neue Erkenntnisse, die auch zu belegen sind, so sind allerdings diese anzuwenden.[10] Dies gilt auch im Verhältnis zu den in der Anlage 4 zur FeV niedergelegten Erkenntnissen (zur Problematik vgl. oben § 1 Rdn 14 ff.).[11]

[1] Berichte der BASt, Mensch und Sicherheit, Heft M 115, Bergisch Gladbach, Mai 2015: ab dem 1.5.2014 gültige Fassung.
[2] Dazu Bode/Winkler, 5. Aufl., § 3 Rn 26 ff.; vgl. dort auch insb. Anhang Nr. 1, S. 629 ff.
[3] Die Begutachtungsleitlinien beruhen auf der Zusammenführung der Gutachten "Krankheit und Kraftverkehr", 5. Aufl., Stand: August 1996 (beachte auch Hinweis zur Anwendung des Gutachtens in VkBl. 1998 S. 30) mit dem Psychologischen Gutachten Kraftfahreignung (Kroj (Hrsg.), erstellt durch die Kommission der Sektion Verkehrspsychologie im Berufsverband Dt. Psychologen e.V., 1995).
[4] BR-Drucks 443/98 – zur FeV, S. 255.
[5] NJW 1998, 3534, 3536.
[6] Jetzt: Anlage 6.
[7] S. 262.
[8] Statt vieler: OVG NRW, Beschl. v. 7.1.2003, zfs 2003, 427.
[9] Für eine Bindung an Anlage 4 zur FeV vgl. OVG RP zfs 2000, 418.
[10] Vgl. dazu Bode/Winkler, § 3 Rn 27 ff.
[11] Vgl. dazu Bode/Winkler, § 3 Rn 94 ff., 96.

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