Philipp Schlemmer, Dr. Gabriele Bruchmann
Rz. 141
Im Bauvertrag üblich sind folgende vertragliche Sicherheiten (i.d.R. Bürgschaften):
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Vertragserfüllungsbürgschaft zugunsten von Besteller und/oder Unternehmer |
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Bürgschaft für Mängelansprüche (Gewährleistungsbürgschaft) zugunsten des Bestellers |
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Vorauszahlungsbürgschaft zugunsten des Bestellers |
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Zahlungsbürgschaft zugunsten des Unternehmers |
a) Beschaffenheitskriterien bei einer Bürgschaft
aa) Dreipersonenverhältnis nach § 765 BGB
Rz. 142
Sowohl in einem BGB- als auch in einem VOB/B-Bauvertrag wird die Stellung einer Bürgschaft durch § 765 BGB konkretisiert. Danach verpflichtet sich der Bürge (i.d.R. Kreditinstitut), bei Eintritt des Sicherungsfalls Zahlung aus der Bürgschaft für die Erfüllung der Verbindlichkeiten des Dritten (Unternehmer oder Besteller) zu leisten.
Rz. 143
Danach ergibt sich das nachfolgende Dreipersonenverhältnis:
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Sicherungsabrede (Besteller – Unternehmer): Regelung meist im Bauvertrag |
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Avalkreditvereinbarung (Bürgschaftsschuldner – Bürge): i.d.R Geschäftsbesorgungsvertrag, der den Bürgen zur Stellung der Sicherheit gegenüber dem Bürgschaftsgläubiger verpflichtet |
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Bürgschaftsvertrag (Bürgschaftsgläubiger – Bürge): Kommt auf der Grundlage der Sicherungsabrede zustande, i.d.R. durch Zuleitung der Bürgschaft an den Bürgschaftsgläubiger, hat jedoch unabhängig von der Wirksamkeit der Sicherungsabrede Bestand, da der Bürgschaftsvertrag ein selbstständiges Rechtsgeschäft ist; der Bürgschaftsvertrag hat jedoch einen engen Bezug zur Sicherungsabrede, da die Bürgschaft als akzessorisches Sicherungsmittel die Ansprüche aus dem konkreten Vertragsverhältnis sichert. |
bb) Zusätzliche Anforderungen an eine Bürgschaft nach BGB
Rz. 144
Ist die VOB/B nicht Vertragsgrundlage und wird eine Bauvertragspartei vertraglich verpflichtet, Sicherheit zu leisten, sind neben den §§ 765 ff. BGB auch die §§ 232–240 BGB einschlägig. Danach müssen die nachfolgenden Anforderungen für eine wirksame Bürgschaftsbestellung erfüllt sein:
(1) Tauglicher Bürge
Rz. 145
Nach den Anforderungen des § 239 Abs. 1 BGB ist ein Bürge dann tauglich, wenn er ein der Höhe der zu leistenden Sicherheit angemessenes Vermögen hat. Des Weiteren muss er seinen allgemeinen Gerichtsstand grundsätzlich im Inland haben; ein Gerichtsstand in der Europäischen Union ist danach nur dann zulässig, wenn sich der Bürge in der Bürgschaftsurkunde der Geltung deutschen Rechts unterwirft und einen in Deutschland ansässigen Zustellbevollmächtigten benennt. Schließlich muss sich auch der Sitz des Bürgen in einem Vertragsstaat der EU befinden. Nur so ist eine einigermaßen unkomplizierte Rechtsverfolgung im Sicherungsfall möglich.
(2) Schriftliche selbstschuldnerische Bürgschaft
Rz. 146
Gem. § 239 Abs. 2 BGB muss der Bürge darüber hinaus auch eine Bürgschaft unter Verzicht auf die Einreden der Vorausklage (§ 771 BGB), eine sog. selbstschuldnerische Bürgschaft, stellen.
(3) Umfang der Bürgschaftsschuld
Rz. 147
Im Übrigen werden die weiteren Voraussetzungen der Bürgschaftserstellung nach den §§ 765 ff. BGB konkretisiert. Insbesondere der Umfang der Bürgschaftsschuld ergibt sich aus § 767 Abs. 1 BGB. Danach ist für die Verpflichtung des Bürgen der jeweilige Stand der Hauptverbindlichkeit maßgebend. Die Bürgschaftsschuld ist daher in Grund und Höhe von der Hauptverbindlichkeit abhängig.
(4) Subsidiarität zu anderen Sicherungsmitteln
Rz. 148
Nach § 232 Abs. 2 BGB ist die Stellung einer Bürgschaft aber nur dann zulässig, wenn der Unternehmer nicht in der Lage ist, Sicherheit nach einer der in Abs. 1 aufgeführten Arten zu leisten. Im BGB-Bauvertrag ist die Bürgschaft daher nur subsidiäres Sicherungsmittel. Daher braucht sich der Besteller bei Zugrundelegung eines BGB-Bauvertrages nicht auf eine Bürgschaft einzulassen, es sei denn, eine Bürgschaft wurde zwischen den Parteien ausdrücklich vereinbart oder es liegt ein vom Unternehmer zu beweisender Ausnahmefall des § 232 Abs. 2 BGB vor.
cc) Zusätzliche Anforderungen an eine Bürgschaft nach VOB/B
Rz. 149
Vorgaben für die Beschaffenheit von Bürgschaften bei VOB/B-Verträgen enthält die Bestimmung des § 17 Abs. 4 VOB/B. Daneben gelten auch die §§ 232–240 BGB, soweit in § 17 Abs. 2–8 VOB/B nichts anderes bestimmt ist.
Rz. 150
Nach § 17 Abs. 4 VOB/B müssen bei der Bürgschaft folgende Anforderungen erfüllt sein:
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Tauglichkeit des Bürgen (S. 1); |
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schriftliche, selbstschuldnerische Bürgschaft (Verzicht auf die Einrede der Vorausklage) (S. 2); |
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keine zeitliche Begrenzung (S. 2 Hs. 2); |
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Ausstellung nach den Vorschriften des Bestellers (S. 2 Hs. 2); |
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keine Zahlung auf erstes Anfordern (S. 3). |
Rz. 151
Da § 17 Abs. 4 VOB/B die Beschaffenheitskriterien für eine Bürgschaft nur zugunsten des Bestellers regelt, wenn die Erbringung einer Sicherheitsleistung nach der VOB/B vereinbart wurde, bedarf es bei der Vereinbarung einer Sicherheitsleistung zugunsten des Unternehmers einer ausdrücklichen Regelung, falls die Kriterien des § 17 Abs. 4 VOB/B auch für die Ausgestaltung einer solchen Bürgschaft einschlägig sein sollen, dies auch für einen Bauvertrag auf der Basis des BGB.
Rz. 152
Soweit die unter § 17 Abs. 4 VOB/B angeführten Vorgaben nicht in der Sicherungsabrede vereinbart sind, richten sich die Anforderungen nach §§ 232 Abs. 2, 239 BGB. Die Parteien können jedoch auch im Einzelfall...