Philipp Schlemmer, Dr. Gabriele Bruchmann
Rz. 128
Beim Bauvertrag auf der Basis des BGB nennt § 232 Abs. 1 BGB die zulässigen Arten der Sicherheitsleistung, die dann einschlägig sind, wenn die Bauvertragsparteien nichts anderes vereinbart haben. Fehlt eine konkrete Regelung, haben die Vertragsparteien die freie Wahl zwischen einer Sicherheitsleistung
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durch Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren, |
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durch Verpfändung von Forderungen, beweglichen Sachen oder Grundschulden/Rentenschulden |
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durch Bestellung von Hypotheken. |
Rz. 129
Nur dann, wenn eine Sicherheit nicht auf eine der in § 232 Abs. 1 BGB genannten Weisen geleistet werden kann, kann nach § 232 Abs. 2 BGB hilfsweise die Stellung eines tauglichen Bürgen erfolgen. In der baurechtlichen Praxis ist aber letztlich nur die in § 232 Abs. 2 BGB aufgeführte Sicherheitsleistung durch Bürgschaft von Belang.
Rz. 130
Beim VOB/B-Bauvertrag gelten ebenfalls die §§ 232–240 BGB, wenn Sicherheitsleistung vereinbart wurde, dies aber nur, soweit sich nicht aus § 17 VOB/B etwas anderes ergibt (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B). Ist im Bauvertrag keine bestimmte Sicherheitsart vereinbart, kann Sicherheit nur durch Einbehalt oder Hinterlegung von Geld oder durch eine Bürgschaft geleistet werden (§ 17 Abs. 2 VOB/B). Damit werden die Bauvertragsparteien auf diese drei aufgezeigten Möglichkeiten der Sicherheitsleistung festgelegt, da die Baupraxis gezeigt hat, dass andere Arten von Sicherheitsleistungen bei der Abwicklung von Bauverträgen i.d.R. nicht vereinbart werden. Die drei Sicherungsmittel stehen – entgegen der gesetzlichen Regelung in § 232 BGB – gleichwertig und wahlweise nebeneinander. Gem. § 17 Abs. 3 VOB/B hat der Unternehmer das Wahl- und Austauschrecht, d.h. er kann wählen, in welcher Form er Sicherheit leistet, und er kann eine geleistete Sicherheit durch eine andere ersetzen. Dieses Wahl- und Austauschrecht kann vertraglich eingeschränkt werden. Diesbezüglich sind aber auch die AGB-rechtlichen Grenzen zu berücksichtigen.
1. Sicherheit durch Einbehalt
Rz. 131
Im Fall eines zwischen den Parteien vereinbarten Sicherheitseinbehalts zugunsten des Bestellers (z.B. zur Absicherung seiner Mängelansprüche) kann der Besteller den Einbehalt – abhängig von der jeweiligen Vereinbarung der Parteien – in Teilbeträgen oder in einem Betrag vornehmen. Bei der Vereinbarung von Teilbeträgen sieht § 17 Abs. 6 VOB/B vor, dass der Besteller berechtigt ist, von jeder Zahlung 10 % der Bruttosumme der Rechnung einzubehalten. Der Besteller hat dabei grundsätzlich die Wahl, von welchen Zahlungen er solche Einbehalte macht.
a) Rechtsnatur des Einbehalts
Rz. 132
Da der jeweils vom Besteller einbehaltene Betrag nur eine Sicherheitsleistung darstellt, darf der Besteller den Betrag nicht zu seinem Vermögen rechnen, sondern muss ihn als sog. Fremdgeld innerhalb von 18 Tagen nach Mitteilung über den vorgenommenen Einbehalt auf ein Sperrkonto bei dem mit dem Unternehmer vereinbarten Geldinstitut einzahlen (§ 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 2 VOB/B). Aufgrund der Verweisung in § 17 Abs. 6 Nr. 1 S. 5 VOB/B auf § 17 Abs. 5 VOB/B muss es sich um ein sog. "Und-Konto" handeln, über das nur beide Parteien gemeinsam verfügen können und dessen Zinsen dem Unternehmer zustehen. Öffentliche Auftraggeber sind dagegen nicht verpflichtet, den Einbehalt auf ein Sperrkonto einzuzahlen (§ 17 Abs. 4 VOB/B).
Rz. 133
Zahlt der Besteller den einbehaltenen Betrag nicht fristgemäß auf ein Sperrkonto ein, kann der Unternehmer ihm hierfür eine angemessene Nachfrist setzen (ca. 8–10 Werktage), § 17 Abs. 6 Nr. 3 VOB/B. Diese Nachfristsetzung muss weder Konsequenzen der Nichteinzahlung androhen noch ein bestimmtes Geldinstitut für das Sperrkonto angeben. Lässt der Besteller auch diese Nachfrist ungenutzt verstreichen, ist der Unternehmer berechtigt, die sofortige Auszahlung des einbehaltenen Betrages zu verlangen.
Rz. 134
Ob dem vertragsuntreuen Besteller gegen den Auszahlungsanspruch die Aufrechnung mit eigenen streitigen Gegenforderungen oder ein Zurückbehaltungsrecht zustehen, ist strittig.
b) Vorgehen bei Nichtauszahlung des Einbehalts nach Stellung einer Austauschsicherheit
Rz. 135
Hat der Unternehmer zur Ablösung des Einbehalts eine Austauschsicherheit (z.B. Bürgschaft) übergeben, ist der Einbehalt fällig und der Besteller hat diesen grundsätzlich auszuzahlen. Gegen diesen Auszahlungsanspruch wendet der Besteller häufig Gegenrechte, z.B. Zurückbehaltungs- oder Aufrechnungsrechte ein. Diese Gegenrechte hindern den Auszahlungsanspruch nur dann, wenn der Besteller bereits ein Recht zur Verwertung des Einbehalts hatte, d.h. wenn der Sicherungsfall bereits eingetreten ist (siehe zum Eintritt des Sicherungsfalls Rdn 177). Hierbei sind die drei folgenden, vom BGH aufgestellten Konstellationen zu u...