Rz. 77
Entscheidend für die sozialversicherungsrechtliche Abgrenzung sind damit im Ergebnis die von der Rechtsprechung des BSG entwickelten Kriterien. Arbeitnehmer i.S.d. Sozialversicherungsrechtes ist danach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Persönliche Abhängigkeit erfordert Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung.
Rz. 78
Praxishinweis zum Merkmal der Eingliederung
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Das in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV enthaltene Merkmal der Eingliederung ist in der Definition des § 611a BGB, die seit 1.4.2017 gilt, nicht genannt. |
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Damit hat der Gesetzgeber bewusst von einer Vereinheitlichung abgesehen. |
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Diese (erneute und kaum nachvollziehbare) Unterschiedlichkeit im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht durch den Gesetzgeber hat zu Recht zu Irritationen geführt. |
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Das BSG musste dies klären, mit folgendem Ergebnis: Das Merkmal der Eingliederung für sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV steht nicht infrage. |
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Dies unterstreicht, dass die Definitionen im Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht nicht deckungsgleich sind. |
Rz. 79
Stellt der Auftraggeber die wesentlichen Arbeitsmittel, ohne die die Tätigkeit nicht erbracht werden kann, liegt grundsätzlich abhängige Beschäftigung vor. Bei Diensten höherer Art kann es ausreichen, dass der Mitarbeiter funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess des Arbeitgebers teilhat – sog. "zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinertes Weisungsrecht". Dies kann selbst dann gelten und damit zur Sozialversicherungspflicht führen, wenn Steuerberatertätigkeiten zu Hause für Mandanten einer Steuerkanzlei erledigt werden. Umgekehrt kann es sozialversicherungsrechtlich unschädlich sein, wenn ein Steuerberater in den Räumlichkeiten eines Kollegen arbeitet, wenn er dabei nicht in die Betriebsorganisation der Kanzlei eingegliedert ist. Berufsrechtliche – im Entscheidungsfall steuerberatungsrechtliche – Weisungsrechte sind nicht vom Begriff der Weisungen i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV ausgenommen. Denn bei der Gesamtabwägung sind auch solche Umstände zu berücksichtigen, die einer Tätigkeit ihrer Eigenart nach immanent, durch gesetzliche Vorschriften vorgegeben sind oder auf sonstige Weise "in der Natur der Sache" liegen.
Rz. 80
Für die Frage einer weisungsabhängigen Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV kommt es nur auf die rechtliche Möglichkeit im (gedachten) Konfliktfall an. Das Innehaben der diesbezüglichen Rechtsmacht entspricht insbesondere der jüngeren Rechtsprechung des BSG, in der die Maßgeblichkeit von Rechtsmacht gegenüber einem bloß rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten betont wird. Ein fachliches Weisungsrecht spricht bei der Statusfeststellung im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung für das Vorliegen von Beschäftigung und gegen eine selbstständige Tätigkeit. Wird ein Mitarbeiter erst durch eine Ausbildung, Prüfung und Lizenzierung vom Auftraggeber in die Lage versetzt, den Auftrag zu übernehmen, ist dies ein gewichtiges Merkmal für eine abhängige Beschäftigung, da von einer der Tätigkeit vorgelagerten fachlichen Weisung auszugehen ist. Eine arbeitszeitorientierte Vergütung ist i.d.R. und insb. dann ein Indiz für eine abhängige Beschäftigung, wenn sich die Tätigkeit nahtlos an ein bisher unstreitig abhängig ausgeübtes Beschäftigungsverhältnis anschließt.
Rz. 81
In der Rechtsprechung des BSG ist eine Tendenz zu beobachten, regulatorische Vorgaben als wesentliches Merkmal abhängiger Beschäftigung besonders zu gewichten. Das BSG leitet aus regulatorischen Vorgaben zum Teil eine Eingliederung ab. Dies zeigt insbesondere der Leitsatz 1 der Entscheidung des BSG vom 4.6.2019. Danach sei der Versorgungsauftrag eines Krankenhauses sowie die Regelungen über der Erbringung und Vergütung von Krankenhausleistungen, zur Qualitätssicherung im Krankenhaus und zum Patientenschutz bei der Gewichtung der Indizien zur Statusbeurteilung zu berücksichtigen. Diese regulatorischen Vorgaben führen im Regelfall zur Eingliederung ärztlichen Krankenhauspersonals. Gleiches ist für weitere Berufsgruppen festzustellen.
Rz. 82
Dagegen ist die selbstständige Tätigkeit dadurch gekennzeichnet, dass der Tätige über seine eigene Arbeitskraft und die Arbeitszeit verfügt und dabei das Unternehmerrisiko trägt. Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit sind das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit. Liegt das vereinbarte Honorar deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten und lässt es dadurch Eigenvorsorge zu, sei dies – nach der neueren, inzwischen aber schon wieder relativierten, Rechtsprechung des 12. Senats des...