Rz. 215
Verjährt sind die Nachentrichtungsansprüche gem. § 25 Abs. 1 S. 1 SGB IV in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Zu beachten ist, dass die Verjährungsfrist nicht schon mit der Fälligkeit der Beitragsansprüche beginnt. Vielmehr beginnt sie erst nach dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Fälligkeit eingetreten ist. Dies bedeutet, dass die Verjährung immer zum 31. Dezember des entsprechenden Jahres verjährt.
Rz. 216
Allerdings gilt die vierjährige Verjährungsfrist dann nicht, wenn der Arbeitgeber die Beiträge vorsätzlich hinterzogen hat. Dann beträgt die Verjährungsfrist gem. § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV 30 Jahre. Für die Verlängerung der Verjährungsfrist auf 30 Jahre genügt bedingt vorsätzliches Handeln. Dies bedeutet ein hohes Risiko, da es für die Annahme der 30-jährigen Verjährungsfrist ausreicht, wenn der Beitragspflichtige seine Beitragspflicht für möglich gehalten hat, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat. Die extrem lange Verjährungsfrist für die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags von 30 Jahren wird – mit zum Teil drastischen Worten – scharf kritisiert.
Rz. 217
Der Sozialversicherungsträger muss grds. den Vorsatz für die 30-jährige Verjährung nachweisen. Die Feststellungslast (Beweislast) für den subjektiven Tatbestand trifft im Zweifel den Versicherungsträger, der sich auf die für ihn günstige lange Verjährungsfrist beruft. Dabei kann zu berücksichtigen sein, dass Fehler bei der Beitragsentrichtung, insb. bei wenig verbreiteten Nebenleistungen, bei denen die Steuer- und die Beitragspflicht in komplizierten Verfahren geregelt sind und nicht voll übereinstimmen, nicht selten nur auf fahrlässiger Rechtsunkenntnis beruhen, zumal wenn es sich um kleine Betriebe handelt, bei denen der Arbeitgeber die Beitragsberechnung ohne Fachpersonal selbst vornimmt.
Rz. 218
Der Vorsatz muss weder von Beginn an noch während der gesamten Verjährungsfrist vorliegen. Ausreichend ist, dass der Betroffene zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist zumindest mit bedingtem Vorsatz die Beiträge vorenthalten hat. Dementsprechend hat das BSG entschieden, dass es für die lange Verjährungsfrist genüge, wenn der Vorsatz des Beitragsschuldners spätestens bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist vorliege. In Ausnahmefällen kann, wenn keine Verjährung eingetreten ist, das Institut der Verwirkung (§ 242 BGB) der Beitragsnachforderung entgegenstehen.
Rz. 219
Praxishinweis
1. |
Die 30-jährige Verjährungsfrist ist nach der Rspr. des BSG auch dann anzuwenden, wenn ein anfänglich gutgläubiger Beitragsschuldner vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist bösgläubig geworden ist. |
2. |
In Ausnahmefällen kann, wenn keine Verjährung eingetreten ist, das Institut der Verwirkung (§ 242 BGB) der Beitragsnachforderung entgegenstehen. |
Rz. 220
Mit dem 4. Euro-Einführungsgesetz v. 21.12.2000 hat der Gesetzgeber in § 25 Abs. 2 SGB IV eine spezielle Verjährungshemmung für den Bereich der Betriebsprüfung geschaffen. Mit der Neuregelung wird die Verjährung der Beitragsforderung für die Dauer der Betriebsprüfung gem. § 25 Abs. 2 S. 2 SGB IV gehemmt.
Rz. 221
Praxishinweis zum sozialversicherungsrechtlichen Risiko
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Die 30-jährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV ist unter dem Aspekt des bedingten Vorsatzes besonders zu gewichten. Das Für-Möglich-Halten einer Beitragspflicht bei der gleichzeitigen billigenden Inkaufnahme der Nichtabführung von Beiträgen ist von der (nur) fahrlässigen Rechtsunkenntnis sorgsam abzugrenzen. |
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Es empfiehlt sich daher unbedingt – heute mehr denn je –, rechtzeitig das Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV durchzuführen. |