Rz. 90
Mit Wirkung zum 1.4.2022 hat der Gesetzgeber mit der Reform des Statusfeststellungsverfahrens § 7a SGB IV n.F. neu gefasst. Das Statusfeststellungsverfahren (= Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus) soll nach der Intention des Gesetzgebers Erwerbstätige und ihre Auftraggeber vor den Risiken einer falschen Statuseinschätzung, also vor den Konsequenzen der Scheinselbstständigkeit, schützen.
Rz. 91
Praxishinweis
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Für eine Risikominimierung durch Beantragung der Feststellung des Erwerbsstatus durch die Deutsche Rentenversicherung Bund spricht Folgendes: |
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Kommt die DRV Bund beispielsweise zu dem Ergebnis, dass echte Selbstständigkeit gegeben ist, sind andere Versicherungsträger (wie die Einzugsstellen und die Rentenversicherungsträger bei Betriebsprüfungen) an die Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung Bund gebunden (Bindungswirkung). Das war bisher unklar. |
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Die Bindungswirkung gilt für alle Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung Bund in Verfahren nach § 7a Abs. 1, 2 SGB IV. |
Rz. 92
Die Neuerungen zeigen sich bereits in der neuen Überschrift des § 7a SGB IV n.F. Diese lautet nunmehr nicht mehr "Anfrageverfahren" sondern "Feststellung des Erwerbsstatus". Damit wird der Rechtsprechung des BSG Rechnung getragen, wonach bisher in dem Verfahren nach § 7a SGB IV n.F. nicht über das Vorliegen einer Beschäftigung isoliert entschieden werden konnte, sondern ausschließlich über die Versicherungspflicht (aufgrund abhängiger Beschäftigung) in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung. Mit der Reform soll zukünftig nur über den Erwerbsstatus als Element einer möglichen Versicherungspflicht entschieden werden.
Rz. 93
Durch die Einfügung in § 7a Abs. 1 S. 1 SGB IV n.F. "bei einem Auftragsverhältnis" wird klargestellt, dass die Feststellung des Erwerbsstatus durch die Deutsche Rentenversicherung Bund auch bei einer selbstständigen Tätigkeit sich nur auf ein konkretes Rechtsverhältnis bezieht. Sofern eine abhängige Beschäftigung festgestellt wird, bedarf es regelmäßig nicht mehr der Feststellung von Versicherungspflicht durch die zuständigen Sozialversicherungsträger.
Praxishinweis
Eine allgemeine Feststellung einer selbstständigen Tätigkeit ohne Bezug auf einen konkreten Auftragswert ist nicht möglich.
Rz. 94
Der Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus kann gem. § 7a Abs. 1 S. 1 SGB IV n.F. schriftlich oder elektronisch bei der Deutschen Rentenversicherung Bund gestellt werden. Antragsberechtigt sind die Beteiligten, d.h. im Zweipersonenverhältnis Auftraggeber und Auftragnehmer.
Rz. 95
Neu – und zu begrüßen – ist, dass der Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus nicht mehr nur – wie vor der Reform – nach Aufnahme der Tätigkeit durchgeführt wird. Dies gründete ursprünglich darauf, dass für die Beurteilung, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, das gelebte Vertragsverhältnis entscheidend ist, sofern dies von den vertraglichen Vereinbarungen abweicht. Dies bleibt im Grundsatz auch nach der Reform unverändert.
Rz. 96
Jedoch können die Beteiligten auf Antrag bereits vor Aufnahme der Tätigkeit – und damit frühzeitiger als bisher – durch eine Entscheidung nach § 7a Abs. 4 S. 1 SGB IV n.F. i.V.m. § 7a Abs. 1 und 2 SGB IV n.F. Rechtssicherheit über den Erwerbsstatus zu erlangen. So zu begrüßen diese neue Möglichkeit ist, so liegen gleichzeitig auch die Schwierigkeiten auf der Hand. Die Beteiligten müssen bei Antragstellung die tatsächlichen Umstände der Tätigkeit antizipieren. Dieses neu eingeführte Instrument der Prognoseentscheidung nach § 7a Abs. 4a S. 1 i.V.m. § 7a Abs. 4a S. 2 SGB IV wird nicht immer einfach sein. Ermöglichen die antizipierten und angegebenen Umstände keine abschließende Beurteilung, z.B. weil sie zu ungenau oder nicht ausreichend sind, kann die Rentenversicherung den Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus vor Aufnahme der Tätigkeit ablehnen oder eine Entscheidung erst nach Aufnahme der Tätigkeit treffen. Entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund über den Erwerbsstatus vor Aufnahme der Tätigkeit, gelten für die Beurteilung uneingeschränkt die zu § 7 SGB IV entwickelten Maßstäbe und Kriterien. Ergeben sich später wesentliche Änderungen, hebt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Entscheidung nach Maßgabe des § 48 SGB X auf.
Rz. 97
Ebenfalls neu eingeführt hat der Gesetzgeber die sog. Gruppenfeststellung, die auch für Rahmenverträge möglich ist, in denen Identität zwischen den Auftragsparteien besteht und eine Vielzahl gleicher Einzelaufträge abgeschlossen werden. Entscheidet die Deutsche Rentenversicherung gem. § 7a Abs. 4b S. 1 SGB IV in einem Einzelfall über den Erwerbsstatus, äußert sie sich auf Antrag des Auftraggebers gutachterlich zu dem Erwerbsstatus von Auftragnehmern im "gleichen" Auftragsverhältnissen nach § 7a Abs. 4b S. 5 SGB IV. Gem. § 7a Abs. 4b SGB IV kann auch der Auftragnehmer für "gleiche" Auftragsverhältnisse mit demselben Auftraggeber ebenfalls eine gutachterliche Äußerung ...