Rz. 169
Die Gerichte für Arbeitssachen sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. Wer Arbeitnehmer i.S.d. Arbeitsgerichtsgesetzes ist, bestimmt § 5 ArbGG. Gem. § 5 Abs. 1 S. 1 ArbGG sind Arbeitnehmer Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. § 5 Abs. 1 ArbGG liegt der allgemeine nationale Arbeitnehmerbegriff zugrunde.
Rz. 170
Die Fallgruppen "sic non", "aut aut" und "et et" hat die Rechtsprechung in Hinblick auf die Frage entwickelt, welche Anforderungen an das klägerische Vorbringen zur Begründung der Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen in Abgrenzung zu den ordentlichen Gerichten zu stellen sind.
Rz. 171
In den sic-non-Fällen kann der eingeklagte Anspruch ausschließlich auf eine Anspruchsgrundlage gestützt werden, deren Prüfung gem. § 2 ArbGG in die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen fällt. Der Rechtsweg zu den ArbG ist gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG eröffnet, wenn sich der geltend gemachte Anspruch nur aus einem als Arbeitsverhältnis zu qualifizierenden Rechtsverhältnis ergeben kann. Für die Entscheidung über den Antrag "festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis seit dem […] bestanden hat" (Statusklage), ist der Rechtsweg zu den ArbG gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3b ArbGG auch dann gegeben, wenn der Kläger seine Rechtsbehauptung nicht hinreichend substantiiert oder diese sich als falsch herausstellt. Es reicht die bloße Rechtsansicht des Klägers, er sei Arbeitnehmer, zur Bejahung der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit aus, wenn die vor dem ArbG in einer bürgerlich-rechtlichen Streitigkeit erhobene Klage nur dann Erfolg haben kann, wenn der Kläger Arbeitnehmer ist. In diesen Fällen sind die Tatsachenbehauptungen "doppelrelevant", nämlich sowohl für die Rechtswegzuständigkeit als auch für die Begründetheit der Klage maßgebend.
Rz. 172
Kommen dagegen für einen Anspruch sowohl arbeitsrechtliche als auch bürgerlich-rechtliche Anspruchsgrundlagen in Betracht, kann die bloße Rechtsansicht des Klägers, er sei Arbeitnehmer, die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nicht begründen. In einem sog. "aut-aut-Fall", in dem der Kläger die Klageforderung aus einem Rechtsverhältnis herleitet, dass er für ein Arbeitsverhältnis, die Beklagte dagegen für das Rechtsverhältnis eines weisungsfrei tätigen Handelsvertreters hält, ist ebenso wie in einem sog. "et-et-Fall" für die Beurteilung, ob der Rechtsstreit in die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen fällt, nicht allein auf das Klägervorbringen abzustellen. Bestreitet die beklagte Partei tatsächliche Umstände, die für die rechtliche Einordnung des Rechtsverhältnisses von Bedeutung sind, hat das zur Entscheidung berufene Gericht die zuständigkeitsbegründenden Tatsachen ggf. im Wege der Beweisaufnahme festzustellen.
Rz. 173
Kommen als Anspruchsgrundlage eines Vergütungsanspruchs sowohl die Tätigkeit als Solo-Selbstständiger/Freier Mitarbeiter als auch ein Arbeitsverhältnis in Betracht (aut-aut-Fall), hat das Gericht i.R.d. Rechtswegzuständigkeit zu prüfen, ob die tatsächlichen Voraussetzungen einer Arbeitnehmereigenschaft oder zumindest die Voraussetzungen der Zuordnung zur Gruppe der arbeitnehmerähnlichen Personen vorliegen; die Darlegungs- und Beweislast für die Annahme der Arbeitnehmereigenschaft oder die Einordnung als arbeitnehmerähnliche Person (§ 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG) trifft dabei den Anspruchsteller. Ggf. ist über die bestrittenen entscheidungserheblichen Tatsachen Beweis zu erheben. Allerdings reicht für die schlüssige Darstellung der Arbeitnehmerstellung die pauschale Aufzählung von Kriterien, die generell geeignet sind, die Arbeitnehmereigenschaft zu begründen, nicht aus.
Rz. 174
Praxishinweis
▪ |
Die Rechtsprechung des BAG zu den Anforderungen an den Vortrag des Klägers für die Rechtswegbestimmung setzt voraus, dass die tatsächlichen Grundlagen für die Beurteilung des Arbeitnehmerstatus überhaupt im Streit sind. |
▪ |
Anderenfalls kommt es auf die Frage, ob ein sic-non-Fall vorliegt, für die Bestimmung des zuständigen Gerichtes nicht an. Denn wenn die rechtswegbestimmenden Tatsachen unstreitig sind, hat das angerufene Gericht sie rechtlich zu bewerten. Stellt sich dabei heraus, dass der Kläger Arbeitnehmer und nicht Solo-Selbstständiger ist, und handelt es sich um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit, ist die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen begründet. |
▪ |
Ergibt sich, dass der Kläger kein Arbeitnehmer ist, ist ggf. an das Gericht des zulässigen Rechtsweges zu verweisen. |
Rz. 175
Daher ist die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit immer dann gegeben, wenn sich der Kläger gegen die ordentliche Kündigung des Rechtsverhältnisses wendet, das er selbst für ein Arbeitsverhältnis, der Beklagte dagegen für ein freies Dienstverhältnis hält, und der Kläger nur Unwirksamkeitsgründe geltend macht, die seine Arbei...