Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmer. Darlegungslast. Rechtsweg. Zusammenhangsklage. arbeitnehmerähnlich. Rechtsweg, sic-non-Fall
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein sic-non-Fall liegt vor, wenn der geltend gemachte Anspruch sich nur aus einem als Arbeitsverhältnis zu qualifizierenden Rechtsverhältnis ergeben kann.
2. Eine Zuständigkeitsbegründung über das Rechtsinstitut des sic-non-Fall scheidet im Fall eines Vergütungsanspruchs aus, denn Anspruchsgrundlage dafür kann sowohl die Tätigkeit als freier Mitarbeiter als auch ein Arbeitsverhältnis sein. Es handelt sich insoweit um einen sog. aut-aut-Fall, bei dem das Gericht im Rahmen der Rechtswegentscheidung zu prüfen hat, ob die tatsächlichen Voraussetzungen einer Arbeitnehmereigenschaft oder zumindest die Voraussetzung der Zuordnung zur Gruppe der arbeitnehmerähnlichen Personen vorliegen.
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3a, Abs. 3, § 5 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Beschluss vom 25.07.2011; Aktenzeichen 4 Ca 1078/11) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten und unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz im Verfahren 4 Ca 1078/11 vom 25.07.2011 wie folgt abgeändert.
- Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist für den Klageantrag des Klägers zu 1. auf Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses der Parteien eröffnet.
- Bezüglich des Klageantrages zu 2. ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet. Der Klageantrag zu 2. wird abgetrennt und an das im Rechtsweg zuständige Landgericht Koblenz verwiesen.
- Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Parteien jeweils zur Hälfte.
- Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten, ob ihr Beschäftigungsverhältnis, vom Kläger als Arbeitsverhältnis bezeichnet, auf Grundlage der von der Beklagten mit E-Mail vom 24.02.2011 (Bl. 4 d.A.) ausgesprochenen fristlosen Kündigung beendet wurde, sowie über einen Zahlungsanspruch des Klägers in Höhe von EUR 12.266,67 EUR netto nebst Zinsen, den der Kläger für die Monate Dezember 2010 bis einschließlich Februar 2011 geltend macht.
Der Kläger war seit dem 15. Dezember 2010 als „Chef de Projet” (Projektleiter) bei der Beklagten, die Kosmetikprodukte herstellt und vertreibt, tätig. Aufgabe des Klägers war es, den Vertrieb aufzubauen und Kontakte zu Personen zu knüpfen, die an der Mitarbeit und dem Vertrieb der Produkte der Beklagten interessiert sind.
Die Beklagte händigte dem Kläger Visitenkarten mit dessen Namen und der Funktionsbezeichnung „Chef de Projet” unter der Firma „Z & Z Europe” aus. Vergleichbare Visitenkarten erhielt die weitere Projektleiterin, Frau X Y, die am 11. Januar 2011 zudem einen „Anstellungsvertrag” von der Beklagten erhielt.
Mit E-Mail vom 24. Februar 2011 erklärte die Beklagte die fristlose Kündigung der „Zusammenarbeit” mit dem Kläger.
Der Kläger trägt vor:
Er sei von Dezember 2010 bis März 2011 hauptberuflich für die „Firma W Pharm […] bzw. für deren neue Tochter Z” tätig gewesen. Er habe die gesamte Zeit ausschließlich „für diese Firma” gearbeitet und sei weder selbständig noch Freiberufler.
Es bestehe ein mündlicher Arbeitsvertrag mit einer Probezeit von sechs Monaten. Es sei zwischen den Parteien eine monatliche Vergütung von 4.800,00 Euro netto bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von etwa 50 Stunden vereinbart worden (Bl. 2 d.A.). Tatsächlich habe er sogar „6 Tage die Woche rund um die Uhr gearbeitet” (Bl. 25.d.A.).
Frau Y habe stets mit ihm im Team zusammengearbeitet, bei gleicher Aufgabe und gleichem Titel (Bl. 46 d.A.). Aus „purer Vergeltungsstrategie” zahle die Beklagte keine Vergütung (Bl. 26 d.A.).
Die Beklagte habe für ihn – wie für alle Projektleiter – ein eigenes „Internet-E-Mail-Portal” angelegt. Aus der „Signatur” gehe eindeutig hervor, dass er Mitarbeiter der Beklagten sei.
Die Beklagte habe ihm für entstehende Spesen Bargeld überlassen. Die Spesenrechnungen habe sie nicht mit ihm abgerechnet, sondern als laufende Kosten eines anderen Mitarbeiters in die Buchhaltung gegeben. Somit sei er als angestellter Mitarbeiter geführt worden, denn als Freiberufler hätte er die „Rechnungen behalten und versteuern müssen”.
Die Beklagte „werte ihn steuerlich” als Mitarbeiter, in dem sie die Herausgabe von Gegenständen von ihm fordere.
Die Beklagte trägt vor:
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei nicht zulässig. Der Kläger sei kein Arbeitnehmer, sondern freier Mitarbeiter. Weisungsgebundenheit des Klägers hinsichtlich Art, Dauer, Ort und Inhalt der Tätigkeit läge nicht vor. Die Einteilung seiner Arbeitszeit sowie die Organisation seiner Arbeitsleistung seien ihm freigestellt gewesen.
Er habe neben der Beklagten noch andere Auftraggeber gehabt. Im Strafverfahren vor dem Landgericht Koblenz (2050 Js 62127/07.8 Ns) habe der Kläger zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen angegeben, monatlich 3.000,– Euro bis 4.000,– Euro brutto durch Seminare zu verdienen.
Er habe seine Tätigkeit für die Beklagte neben seinen sonstigen Seminaren und dem „Teamtrainin...