Rz. 47
Niemand würde auf den ersten Blick vermuten, dass sich hinter dem sog. Barrierefreiheitsstärkungsgesetz v. 16.7.2021 eine grundlegende und weitreichende Reform des Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV n.F. verbirgt. Dabei ist an sich nicht überraschend, dass sich die Koalition aus CDU, CSU und SPD (Merkel IV) der notwendigen Reform im Jahr 2021 (noch kurz vor Ablauf der 19. Legislaturperiode) angenommen hat, da dies bereits Gegenstand des Koalitionsvertrags 2018 war. Überraschend ist indes das Anknüpfen dieser wichtigen Reform als sog. Omnibusgesetz an eine schon begrifflich völlig andere Thematik und auch die Nichtbenennung der Reform in der Bezeichnung des Gesetzes. Zu Recht weist Zieglmeier darauf hin, dass die Änderungen etwas versteckt und geräuschlos erfolgten. Die neue Rechtslage gilt ab 1.4.2022.
Rz. 48
Inhaltlich zeigen sich die Neuerungen bereits bei der neu gefassten Überschrift des § 7a SGB IV n.F. Diese lautet nicht mehr "Anfrageverfahren" sondern "Feststellung des Erwerbsstatus".
Rz. 49
Mit der Änderung der Überschrift und der Neuformulierung von § 7a Abs. 1 S. 1 SGB IV soll klargestellt werden, dass in dem Statusfeststellungsverfahren über den Erwerbsstatus als Element einer möglichen Sozialversicherungspflicht entschieden wird und nicht über die Versicherungspflicht. Denn nach der Rechtsprechung des BSG konnte bisher in dem Verfahren nach § 7a SGB IV nicht über das Vorliegen einer Beschäftigung isoliert entschieden werden, sondern ausschließlich über die Versicherungspflicht (aufgrund abhängiger Beschäftigung) in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung. Zur Klarstellung: gemeint ist damit in § 7a Abs. 1 SGB IV n.F., dass nur über den Erwerbsstatus entschieden wird. Sofern eine abhängige Beschäftigung festgestellt wird, bedarf es regelmäßig nicht mehr der Feststellung von Versicherungspflicht durch die zuständigen Sozialversicherungsträger. Vielmehr hat der Arbeitgeber – wie sonst bei jedem Beschäftigten auch – die erforderlichen Meldungen vorzunehmen.
Rz. 50
Praxistipp
Das neue Verfahren zur Feststellung des Erwerbsstatus steht trotz des unterschiedlichen Regelungsumfangs wie bisher gleichberechtigt neben dem Einzugsstellen- und dem Betriebsprüfungsverfahren (§§ 28h Abs. 2, 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV).
Rz. 51
Den Antrag, schriftlich oder elektronisch, auf Feststellung des Erwerbsstatus nach § 7a Abs. 1 S. 1 SGB IV n.F. können die "Beteiligten" stellen. Gemeint ist damit zunächst das Zweipersonenverhältnis, bestehend aus Auftraggeber und Auftragnehmer. Jeder ist antragsberechtigt. →siehe ausführlich zum Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus im Zweipersonenverhältnis unten § 4 Rdn 90 ff.
Rz. 52
Der neu eingefügte § 7a Abs. 2 S. 2 SGB IV n.F. trägt dem Umstand Rechnung, dass es bei dem Einsatz von Fremdpersonal in Unternehmen häufig zur Beteiligung von mehr als zwei Parteien kommt, z.B. wenn ein Dienstleister (Auftraggeber) dem Unternehmen (Dritter) projektbezogen einen Spezialisten (Auftragnehmer) zur Verfügung stellt. In diesen Fällen sind für die Abgrenzung einer abhängigen Beschäftigung von einer selbstständigen Tätigkeit nach der Rechtsprechung nicht nur die vertraglichen Vereinbarungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer zu betrachten, sondern sämtliche Rechtsbeziehungen, die den Einsatz des Auftragnehmers prägen, also auch zwischen dem Dritten und dem Auftraggeber. Bisher konnten solche Dreiecksverhältnisse nicht abschließend geklärt werden, sondern immer nur jeweils ein Zweipersonenverhältnis; gegebenenfalls mussten zwei Statusfeststellungsverfahren durchgeführt werden. Der Dritte kann wegen des Verbots der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung der daraus resultierenden möglichen Fiktion eines Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitnehmer und einer möglichen Haftung für den Sozialversicherungsbeitrag ebenfalls ein erhebliches Interesse an der Klärung haben.
Rz. 53
In solchen Dreiecksverhältnissen soll die Deutsche Rentenversicherung Bund die Kompetenz haben, eine Tätigkeit umfassend und nicht nur begrenzt auf jeweils ein Rechtsverhältnis zu beurteilen. Stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund ein Beschäftigungsverhältnis fest, ermächtigt § 7a Abs. 2 S. 2 SGB IV n.F. deshalb zu der ergänzenden Feststellung, ob dieses zu dem Dritten besteht. →s. ausführlich zum Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus im Dreipersonenverhältnis unten § 4 Rdn 277 ff.
Rz. 54
Dem Dritten wird mit § 7a Abs. 2 S. 3 SGB IV n.F. die Möglichkeit eröffnet, ebenfalls einen Antrag auf Statusfeststellung i.S.d. § 7a Abs. 1 S. 1 SGB IV n.F. zu stellen, und damit auch eine Entscheidung darüber, ob ein Beschäftigungsfeld nicht zu ihm vorliegt. Jedoch ist der Dritte nur dann antragsberechtigt, wenn er bei Feststellung einer Beschäftigung als Verpflichteter für die Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags in Betracht kommt. Mit dem Verweis auf § 7a Abs. 1 S. 1 SGB IV n.F. wird klargestellt, dass der Dritte weder eine Prognoseentscheidung nach § 7a Abs. 4a SGB IV noch eine ...