Dr. iur. Frank Fad, Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 206
Wie dargelegt, ist die Fallkonstellation, in der Personen bei Unfällen oder Pannen eines Kraftfahrzeugs Hilfe leisten, von verschiedenen gesetzlichen Regelungen erfasst
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Nach § 17 Abs. 3 StVG kann das Verhalten eines nicht bei dem Betrieb beschäftigten Dritten den Einwand des unabwendbaren Ereignisses begründen. |
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Nach § 7 Abs. 3 StVG haftet der Halter für Schwarzfahrten, wenn der Benutzer für den Betrieb des Kraftfahrzeugs angestellt oder ihm das Fahrzeug vom Halter überlassen worden ist. |
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Schließlich entfällt, wie vorstehend dargelegt, die Gefährdungshaftung nach § 8 Nr. 2 StVG, wenn der Verletzte bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig war. |
Rz. 207
Darüber hinaus kann sich ein Haftungsausschluss aus den Vorschriften der §§ 104 ff. SGB VII ergeben. Die dortigen Regelungen, die auf Unfälle, die sich vor dem 1.1.2007 ereignet haben, anzuwenden sind, normieren einen umfassenden Haftungsausschluss oder auch eine Haftungsbeschränkung bei Vorliegen eines Versicherungsfalls i.S.v. § 8 SGB VII. Danach tritt die Schadensersatzpflicht des Unternehmers nur ein, wenn er den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt hat. In diesem Sinne entfaltet das Regelungssystem der §§ 104 ff. SGB VII gegenüber der Haftung eine Sperrwirkung.
Rz. 208
Die dortigen Regelungen über die Haftungsfreistellung (Haftungsprivilegierung, Haftungsersetzung) bestimmter Personen im Fall eines Arbeitsunfalls stehen im Schnittpunkt zweier verschiedener Ausgleichssysteme, nämlich des zum Sozialrecht gehörigen Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung und des zivilrechtlichen Haftungsrechts. Soweit die Haftungsprivilegierung eingreift, entfällt im Unterschied zu § 8 Nr. 2 StVG nicht nur die Gefährdungshaftung, sondern lässt die Haftung insgesamt entfallen. Deshalb sind die Regelungen zwar in das Sozialrecht übernommen worden; ihre eigentliche Zweckbestimmung aber erfüllen sie im zivilrechtlichen Haftungsrecht.
Rz. 209
Die Darstellung im Zusammenhang mit der Haftung nach dem StVG beschränkt sich auf eine kurze beispielhafte Aufzählung zur haftungsrechtlichen Situation des "Helfers". Denn auch die Teilnahme am Straßenverkehr steht in vielen Fällen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, und zwar nicht nur im Zusammenhang mit beruflich bedingten Fahrten, sondern auch im Zusammenhang mit Fahrten zum Blutspenden oder im Rahmen der Pannenhilfe zwischen Autofahrern. Denn kraft Gesetzes unfallversichert sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB VII die als so genannte Nothelfer bezeichnete Personen, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten. Gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII sind Personen gesetzlich unfallversichert, die, als sog. "Wie-Beschäftigte" im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII tätig werden.
Rz. 210
Typische Fälle, in denen das Problem der zivilrechtlichen Haftungsersetzung in der Praxis häufig übersehen wird, ist etwa die unentgeltliche Mithilfe eines anderen (Bekannten oder Nachbarn) bei Reparaturarbeiten am Fahrzeug, bei der Pannenhilfe, beim Be- und Entladen eines Lkw oder bei sonstigen kleineren Mithilfehandlungen. Letztere allerdings sind dann nicht unfallversichert, wenn es sich bloß um durch familiäre oder freundschaftliche Beziehungen geprägte Gefälligkeitsdienste geringen Umfangs handelt, z.B. also um die unentgeltliche Mithilfe bei der Pannenhilfe.
Rz. 211
Um einen typischen Fall der Haftungsfreistellung des Schädigers nach den §§ 104, 105 SGB VII handelte es sich auch bei dem vom AG Bremen zu entscheidenden Sachverhalt: Ein Helfer war durch seine Mithilfe beim Abladen eines (fremden) Lkw verletzt worden. Damit ist er als "Wie-Beschäftigter" des Unfallbetriebs anzusehen. Es reicht aus, wenn Schädiger und Geschädigter im Augenblick der Schädigung in demselben Betrieb (Unfallbetrieb) tätig sind, egal ob als Betriebsangehöriger oder als Betriebstätiger oder als Helfer. Weil der Schädiger zugleich Betriebsangehöriger des schädigenden Unfallbetriebes war, wäre er auch nach der alten Rechtslage der §§ 636, 637 RVO haftungsprivilegiert gewesen.