Dr. iur. Frank Fad, Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 64
Anknüpfungspunkt für die haftungsrechtliche Zurechnung ist der "Betrieb" des Kraftfahrzeugs oder Anhängers. Betriebsbeginn und Betriebsende begrenzen die Zurechnung der Rechtsgutsverletzung zum Betrieb des Fahrzeugs.
Rz. 65
Das StVG ist mit dem früheren KFG identisch, so dass die hiernach ergangene Rechtsprechung ohne Weiteres auf das StVG anzuwenden ist. Sowohl das frühere RHG als auch das jetzige HPflG setzen voraus, dass der Schaden "bei dem Betrieb" einer Bahn eingetreten ist. Insoweit besteht Deckungsgleichheit mit dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 StVG. Die inhaltliche Übereinstimmung des Betriebsbegriffs ist praktisch vom Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung bejaht worden. Vom Sachlichen her konnte sich der Begriff aber doch unterscheiden, weil mit dem "Betrieb einer Bahn" das Unternehmen der Bahn in seiner Gesamtheit als Ganzes gemeint ist, während § 1 Abs. 1 und § 7 Abs. 1 StVG auf den Betrieb des einzelnen Kraftfahrzeugs abstellen.
Rz. 66
Beim Betrieb ereignet sich der Unfall, wenn sich eine Gefahr realisiert, die mit dem Kfz als Verkehrsmittel einhergeht. Ein Schaden ist bereits dann "bei dem Betrieb" eines Kraftfahrzeuges entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit)geprägt worden ist. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist dieses Haftungsmerkmal entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Die sog. "verkehrstechnische Auffassung", nach der ein Kfz "in Betrieb" ist, solange es sich im Verkehr befindet und andere Verkehrsteilnehmer gefährdet, ist dabei zugrunde zu legen. Für die vom Reichsgericht begründete sog. "maschinentechnischen Auffassung", wonach das Kfz nur "in Betrieb" war, solange sich der Motor das Fahrzeug oder eine seiner Betriebseinrichtungen bewegte, besteht hingegen kein Raum. Maßgebend ist vor allem die Erkenntnis, dass vom ruhenden Verkehr zumindest ebenso große Gefahren ausgehen können wie vom fließenden. Demnach beginnt der Betrieb spätestens mit dem Ingangsetzen des Motors und endet mit seinem Stillstand außerhalb und auch innerhalb des öffentlichen Verkehrsbereichs, sobald und sofern eine Beeinflussung des Verkehrs nicht mehr stattfindet.
Rz. 67
Das Abstellen des Kraftfahrzeugs unterbricht nicht den Betrieb, solange es in der gesamten Abwicklung des Verkehrs eine Gefahr darstellt. Zwar hat der BGH früher bei Unfällen auf einem Privatgelände außerhalb des öffentlichen Verkehrsraumes noch an der "maschinentechnischen Auffassung" festgehalten. Nachdem er jedoch z.B. in der Entscheidung vom 25.10.1994 auch ein verkehrswidrig auf privatem Gelände (Trabrennbahn) abgestelltes Kfz dem Schutzbereich des § 7 StVG zugeordnet hat, dürfte die maschinentechnische (enge) Auffassung auch für Unfälle außerhalb des öffentlichen Verkehrsraumes als überholt anzusehen sein. Entscheidend ist danach nur noch, ob auf der fraglichen – öffentlichen oder privaten – Fläche tatsächlich Verkehr stattfindet und ob von dem dort befindlichen Kraftfahrzeug selbst eine Gefahr ausgeht, sei es, dass es mit Motorkraft bewegt wird (oder ungesichert abrollt) oder dass es verbots-/verkehrswidrig abgestellt ist. Ist das Fahrzeug dagegen ordnungsgemäß ("in völliger Betriebsruhe") abgestellt, gehen von ihm auch keine dem Schutzbereich des § 7 StVG zuzuordnenden Gefahren mehr aus. Auch insoweit ist es deshalb ohne Belang, ob das Kraftfahrzeug auf privatem oder öffentlichem Grund abgestellt worden ist. Für die Frage, ob ein Kraftfahrzeug in Betrieb ist, kommt es weder auf den Zweck der Fahrt noch auf die Zulassung des Fahrzeugs an.
Rz. 68
Der Betrieb des Fahrzeugs endet nicht schon dann, wenn das Fahrzeug den öffentlichen Verkehrsraum verlässt. Die Haftung aus dem StVG besteht unabhängig davon, ob sich der Unfall im Raum der öffentlichen Straße ereignet oder nicht. § 7 StVG sieht eine solche Einschränkung – im Gegensatz zu § 1 Abs. 1 S. 1 StVG – nicht vor und gilt deshalb auch für Schäden, die durch den auf privatem Gelände durchgeführten Betrieb eines Kraftfahrzeugs verursacht worden sind.
Rz. 69
Im Einzelnen mögen aus der Rechtsprechung nochmals folgende Beispiele angeführt werden:
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Das Ein- und Aussteigen des Fahrers gehört regelmäßig noch zum Betrieb. Wenn der Fahrer unterwegs bei Bekannten anhält, um sie dort zu einem Frühstück abzuholen, liegt keine Betriebsunterbrechung vor. Auch das Ein- und Aussteigen von Fahrgästen aus einem Bus gehört zu dessen Betrieb. |
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Ein Kraftfahrzeug bleibt in Betrieb, auch wenn es längere Zeit am Straßenrand abgestellt wurde. Das gilt erst recht, wenn das Kfz für kürzere Zeit abgestellt ist. Betrieb verneint, wenn ein Moped von der Polizei als Lichtquelle auf der Straße aufgestellt wurde. |
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Ein stillstehendes Kraftfahrzeug, durch dessen bloßes Vorhandensein ein anderes Fahrzeug, das von hinten auff... |