Dr. iur. Frank Fad, Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 262
Die Annahme eines unabwendbaren Ereignisses scheidet aus, wenn eine der am Fahrzeugbetrieb beteiligten Personen ein Verschulden trifft. Ausdrücklich nennt § 17 Abs. 3 S. 2 StVG nur den "Halter" und den "Führer" des Fahrzeugs, die "jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt" einhalten müssen. Der Entlastungsbeweis gelingt aber nur, wenn alle "bei dem Betrieb des Fahrzeugs Beschäftigten" die nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt einhalten. Denn nach der früheren Regelung des § 7 Abs. 2 S. 2 StVG a.F. galt als unabwendbares Ereignis insbesondere das Verhalten "eines nicht bei dem Betrieb beschäftigten Dritten"; aus einem Gegenschluss ergab sich, dass das sorgfaltswidrige Verhalten eines beim Betrieb des Fahrzeugs Beschäftigten die Annahme eines unabwendbaren Ereignisses ausschließt. Die Voraussetzungen für die Annahme eines unabwendbaren Ereignisses sind im Zuge des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften unverändert geblieben. Im Gesetzgebungsverfahren ist vielmehr ausdrücklich ausgeführt worden, dass insoweit weiterhin auf die bekannte Rechtsfigur des "unabwendbaren Ereignisses" und die dazu ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden könne. Dies gilt auch im Blick auf § 17 Abs. 3 StVG fort. Auch die Parallelvorschrift des § 13 Abs. 3 S. 2 HPlG verlangt ausdrücklich, dass die "beim Betrieb tätigen Personen" die gesteigerten Sorgfaltspflichten für den Unabwendbarkeitsbeweis einhalten.
Rz. 263
Beim Betrieb beschäftigt sind nur solche Personen, die vom Halter und vom Fahrer des Fahrzeugs dazu herangezogen worden sind. Mithin ist die Gruppe der beim Betrieb Beschäftigten enger begrenzt als die der beim Betrieb des Fahrzeugs "angestellten" Personen im Sinne von § 7 Abs. 3 S. 2 StVG (s. dazu o. Rdn 125). Beim Betrieb Beschäftigte sind beispielsweise Autoschlosser und Personen, welche bei einer Panne zu Hilfe gebeten werden. Beim Betrieb beschäftigte "Dritte" sind insoweit auch nur Personen, die – sei es auch nur gelegentlich und unentgeltlich – eine mit dem Betrieb des Kraftfahrzeugs zusammenhängende Tätigkeit ausüben, und zwar mit Wissen oder zumindest stillschweigender Duldung des Halters oder des Fahrzeugführers.
Rz. 264
Eine Tätigkeit in diesem Sinne ist auch das Öffnen und Schließen der Türen, soweit es mit Einverständnis des Fahrers geschieht. Darauf, ob der Dritte in sozialer Abhängigkeit (Arbeitsvertrag, elterliche Sorge) zum Halter steht, kommt es ebenso wenig an wie auf die Dauer der Beschäftigung. Beim Betrieb des Kfz beschäftigt ist daher, wer – sei es auch nur unentgeltlich – Kraftstoff oder Öl einfüllt, das Kfz be- und entlädt, den Reifendruck prüft, das Fahrzeug anschiebt oder abschleppt, beim Ankuppeln hilft usw. Gegenüber den bei dem Betrieb tätigen Personen bleibt, wenn sie geschädigt werden, die Gefährdungshaftung gemäß § 8 Nr. 2 StVG ausgeschlossen, auch wenn sie als Insassen unter § 8a StVG fallen würden. Im Übrigen fällt in erster Linie der Fahrer sowie auch die Aufsichtsperson des Kraftfahrzeugunternehmers darunter. Dagegen fallen nicht solche Personen darunter, die sich kraft eigenen Rechts mit dem Kraftfahrzeug befassen, wie Polizisten, Feuerwehrleute usw. Auch Personen, welche als Passanten auf der Straße dem Kraftfahrer Zeichen geben, sind nicht beim Betrieb beschäftigt.
Rz. 265
Der Fahrschüler ist bei der Übungsfahrt eine zum Kraftfahrzeugbetrieb gehörende Person im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG. Einen Entlastungsbeweis für beim Betrieb des Kraftfahrzeugs beschäftigte Personen gibt es für ihn nicht. Vielmehr dürfte es stattdessen oft zu einer zusätzlichen Haftung des Halters nach § 831 BGB kommen. Das Verhalten eines nicht beim Betrieb des Kfz beschäftigten Dritten (von außen wirkendes Verhalten) kann den Unfall zum unabwendbaren Ereignis machen. Hierbei ist es ohne Bedeutung, ob das Verhalten des Dritten verschuldet oder unverschuldet war. Auch spielt es keine Rolle, ob der Dritte schuldunfähig ist.