Dr. iur. Frank Fad, Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 24
Das mit einem anderen Fahrzeug gekoppelte Kraftfahrzeug bildet mit dem verbundenen Fahrzeug eine Betriebs- und Haftungseinheit, für die der Halter des Kraftfahrzeugs im Außenverhältnis gemäß § 7 Abs. 1 StVG haftet. Abgeschleppte Fahrzeuge sind den Anhängern gleichgestellt, so dass sie als nicht selbst im Betrieb stehend, aber am Betrieb des Schleppfahrzeugs teilnehmend anzusehen sind (Betriebseinheit des Schleppzuges). Haftungsrechtlich führt dies zur alleinigen StVG-Haftung für den Halter und Fahrer des schleppenden Fahrzeugs. Gegenüber der hierzu geäußerten Kritik, nach der es dem abgeschleppten Fahrzeug – anders als dem Anhänger – an der Bestimmung fehle, ständig an ein Kraftfahrzeug angehängt zu werden, hat der BGH differenzierend Stellung bezogen. Wird hiernach das abzuschleppende Kfz "auf den Haken" genommen und braucht es nicht mehr gelenkt und gebremst zu werden, so ist es richtig, beide Fahrzeuge als Betriebseinheit zu sehen. Verursacht diese Betriebseinheit den Unfall, haftet allein der Halter und Fahrer des ziehenden Kfz. Wird dagegen das abzuschleppende Kfz an einem Seil oder einer Stange gezogen, muss es gebremst und gelenkt werden, und bildet sich hierauf auch beim abgeschleppten Kfz eine eigene Gefahr, ist diese im Einzelfall dessen Halter zuzurechnen. Mithin ist bei der Beurteilung auf die Gegebenheiten des Einzelfalles abzustellen.
Rz. 25
Der das Lenken und Bremsen des abgeschleppten betriebsunfähigen Kfz Übernehmende haftet nicht nach § 18 StVG. Das Merkmal des Fahrzeugführers i.S.d. § 18 StVG ist zwar weit auszulegen. Allerdings fehlt es im Haftungssystem des StVG an der erforderlichen Inbetriebsetzung des abgeschleppten Kfz, weil dessen Fahrer nur Lenkung und Bremsen bedient. Insoweit bleibt es bei der alleinigen StVG-Haftung hinsichtlich des Halters und Fahrers des ziehenden Pkw. Allerdings kommt hinsichtlich des das abgeschleppten Fahrzeugs Bedienenden eine Haftung aus anderen Gründen in Betracht. So erfüllt er den Tatbestand der Trunkenheit im Verkehr, wenn er beim Lenken und Bremsen alkoholbedingt "fahruntüchtig" ist. Auf die Erfüllung des Mindestalters von 15 Jahren nach § 10 Abs. 3 S. 1 FeV sei hingewiesen.
Rz. 26
Die Art der Verbindung der Fahrzeuge ist unerheblich: Einschlägig sind auch lose Verbindungen mit Seil oder Kette, wobei dem Lenker des abgeschleppten Wagens erhebliche Aufgaben verbleiben, vor allem das Steuern – Vermeidung von Ausscheren – und das Bremsen. Die starre Verbindung in Form einer Abschleppstange ist ebenso möglich wie das Hochheben der Vorder- oder Hinterachse durch den Kran des Abschleppwagens. Dagegen liegt im Verbringen des betriebsunfähigen Fahrzeuges auf der Ladefläche eines Lkws kein Abschleppen; das abgeschleppte Fahrzeug ist dann nur noch als Ladung zu betrachten.
Rz. 27
Schleppendes und abgeschlepptes Kfz bilden keine Fahrzeugkombination (§ 32 StVZO) und unterliegen keiner Begrenzung hinsichtlich der Länge. Für Abschleppvorgänge gilt niemals § 33 StVZO, der tatbestandlich auf "Schleppen" abstellt. Beim Abschleppen eines Kraftfahrzeugs genügt nach § 6 Abs. 1 S. 4 FeV die Fahrerlaubnis für die Klasse des abschleppenden Fahrzeugs.
Rz. 28
Haftpflicht: Beide Fahrzeuge stellen eine Betriebseinheit dar, insbesondere wenn sich das abgeschleppte "am Haken" befindet. Die StVG-Haftung trifft daher nur Halter und Fahrer des schleppenden Fahrzeugs; Halter und Fahrer des abgeschleppten und nicht mehr in Betrieb befindlichen Fahrzeugs haften dagegen aus anderen Gründen, z.B. nach §§ 823, 831 BGB. Das gilt auch dann, wenn sich ein Zusammenstoß nur zwischen dem abgeschleppten Fahrzeug und einem dritten Fahrzeug ereignet. Im Innenverhältnis gilt der abschleppende Fahrer bei Gefälligkeitshandlungen als Beauftragter; wird er daher schadensersatzpflichtig, haftet ihm der Halter des abgeschleppten Wagens in der Regel aus § 670 BGB; die Ersatzleistungen an den Geschädigten sind als Aufwendungen aus dem Auftrag anzusehen. Haftet auch der Halter oder Fahrer des abgeschleppten Fahrzeugs aus Verschulden, findet § 840 BGB Anwendung.
Rz. 29
Betriebsunfähigkeit: Die Begünstigung für das Abschleppen in der StVO/StVZO gilt nur bei Betriebsunfähigkeit; bei Betriebsfähigkeit liegt Schleppen des Kraftfahrzeugs durch ein anderes vor, das sich nach § 33 StVZO regelt. Betriebsunfähigkeit setzt voraus, dass das Kraftfahrzeug wegen einer Beschädigung oder eines technischen Mangels nicht mit eigener Motorkraft bewegt werden kann. Es kommt nicht darauf an, worauf die Betriebsunfähigkeit zurückgeht, so dass z.B. ein Defekt ebenso genügt wie ein Mangel an Treibstoff oder Kühlwasser. Weil die Abschleppbestimmungen Ausnahmen sind, hatte die Rechtsprechung den Begriff des Abschleppens ursprünglich sehr eng ausgelegt und darunter nur das Wegschaffen betriebsunfähiger Fahrzeuge vom öffentlichen Verkehrsgrund verstanden. Unter der Erwägung, dass neben der Notwendigkeit, betriebsunfähige Fahrzeuge möglichst schnell aus de...