Dr. iur. Frank Fad, Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 177
Die Haftung des Kraftfahrzeugführers i.S.v. § 18 StVG ist im Gegensatz zu der des Halters keine Gefährdungs-, sondern eine Verschuldenshaftung mit umgekehrter Beweislast. Der Führer muss seinerseits beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft. Dem Geschädigten obliegt – wie immer – der Beweis für den Ursachenzusammenhang zwischen dem Betrieb des vom Kfz-Führer geführten Fahrzeugs und dem Unfall. Die Regeln des Anscheinsbeweises finden Anwendung. Auch hat der Geschädigte die haftungsausfüllende Kausalität (Zusammenhang zwischen Rechtsgutverletzung und Schadensfolge) zu beweisen. Verschulden bedeutet hier nicht die gesteigerte Sorgfalt eines Idealfahrers wie in § 17 Abs. 3 StVG, sondern ergibt sich grundsätzlich aus § 276 BGB, so dass von der Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kraftfahrzeugführers – wenigstens eines durchschnittlich geübten Fahrers – gesprochen werden kann.
Rz. 178
§ 18 StVG gilt auch für Unfälle an Stellen, die dem öffentlichen Verkehr nicht zugänglich sind.
Rz. 179
Verkehrswidriges Verhalten eines Fußgängers stellt keine höhere Gewalt i.S.d. § 7 Abs. 2 StVG dar, führt mithin insoweit nicht zum Haftungsausschluss. Für den Fahrer kann aber die Haftung gegenüber Fußgängern nach wie vor entfallen, wenn er nachweist, dass ihn kein Verschulden trifft. Regelmäßig gilt auch gegenüber Fußgängern der Vertrauensgrundsatz. Selbst der sog. "Idealfahrer" i.S.d. § 7 Abs. 2 StVG a.F. darf sich – in Grenzen – darauf verlassen, dass Fußgänger sich sachgerecht verhalten, solange keine besonderen Umstände vorliegen, die geeignet sind, dieses Vertrauen zu erschüttern. Ein Kraftfahrer, der nachts außerhalb geschlossener Ortschaften unterwegs ist, muss nicht damit rechnen, dass plötzlich ein Fußgänger von der Seite in seinem Scheinwerferkegel auftaucht. Der Kraftfahrer darf aber nachts mit Abblendlicht nur so schnell fahren, dass er Hindernisse, wie etwa Fußgänger, rechtzeitig erkennen kann; eine Geschwindigkeit von 80 bis 90 km/h kann bereits zu schnell sein. Andererseits müssen Fußgänger, die sich auf der Fahrbahn aufhalten, darum besorgt sein, dass sie nicht in die Nähe des Fahrwegs eines sich nähernden Kraftfahrzeugs geraten. Auf verkehrsgerechtes Verhalten eines erkennbar alkoholisierten Fußgängers darf der Kraftfahrer nicht vertrauen; vielmehr muss er ihm gegenüber den strengen Sorgfaltsanforderungen des § 3 Abs. 2a StVO genügen. Lässt es der Kraftfahrzeugführer an der notwendigen Aufmerksamkeit fehlen, ist dies nur dann unfallursächlich, wenn bei gehöriger Aufmerksamkeit die Kollision mit dem Fußgänger räumlich oder zeitlich vermieden worden wäre.
Rz. 180
Besonders strenge Anforderungen sind hinsichtlich der Sorgfalt und damit auch im Rahmen des Entlastungsbeweises gegenüber Kindern, Hilfsbedürftigen und älteren Menschen zu stellen. Nach § 3 Abs. 2a StVO obliegt es dem Kraftfahrer, sich durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und Bremsbereitschaft so zu verhalten, dass eine Gefährdung ausgeschlossen ist. Mit § 3 Abs. 2a StVO soll der Schutz der dort genannten Verkehrsteilnehmer (Kinder, Hilfsbedürftige, ältere Menschen) verbessert werden. Voraussetzung für das von ihr verlangte "Äußerste an Sorgfalt" ist zwar, dass der gefährdete Verkehrsteilnehmer aufgrund äußerlich erkennbarer Merkmale als eine den vorgenannten Gruppen zugehörige Person zu erkennen ist. Da die Gruppen selbstständig nebeneinanderstehen, muss aber der "ältere Mensch" nicht auch noch erkennbar "hilfsbedürftig" sein, um unter den besonderen Schutz des § 3 Abs. 2a StVO zu fallen.
Rz. 181
Welches Verhalten diese in § 3 Abs. 2a StVO geforderte erhöhte Sorgfaltspflicht im Einzelnen erfordert, lässt sich nicht allgemein, sondern nur anhand der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls und unter Beachtung des Schutzzwecks der Norm zu beurteilen.
Rz. 182
Wesentlich ist, welche Gefahren im konkreten Fall zu befürchten sind. Dies hängt von den näheren Umständen der Verkehrslage, von dem bereits gezeigten Verhalten des Kindes, von dem in Rechnung zu stellenden Verhalten des Kindes und wesentlich von dem Alter des Kindes ab, da nach allgemeiner Erfahrung bei älteren Kindern mit Unbesonnenheiten in geringerem Umfang als bei jüngeren, insbesondere bei Kleinkindern, zu rechnen ist. Es ist deshalb eine Differenzierung der Sorgfaltspflicht nach dem jeweiligen Alter des Kindes geboten. Bei einem eklatanten Verkehrsverstoß eines 11-jährigen Kindes, das das Fußgängerrot ignoriert, soll dessen Alleinhaftung für den Unfall in Betracht in Betracht kommen. In den Fällen, in denen sich ein Kind bereits verkehrswidrig verhält oder wenn seine Aufmerksamkeit erkennbar anderweitig in Anspruch genommen ist, muss sich ein Fahrzeugführer nur dann auf die Möglichkeit eines unbesonnenen und verkehrswidrigen Verhaltens einstellen, wenn besondere Umstände auf eine solche Möglichkeit hindeuten.
Rz. 183
Je erkennbar älter die Kinder sind, desto eher darf erwartet werden, das...