Dr. iur. Frank Fad, Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 266
Nach § 17 Abs. 4 StVG sind Abs. 1 bis 3 entsprechend anzuwenden, wenn der Schaden durch ein Kraftfahrzeug und einen Anhänger, durch ein Kraftfahrzeug und ein Tier oder durch ein Kraftfahrzeug und eine Eisenbahn verursacht wird. Insoweit kommt es auch in diesen Fallkonstellationen zu keinen anderen Regelungen. Auch bei Schädigung unter Beteiligung eines Fahrzeugs und eines Anhängers, eines Tiers oder einer Eisenbahn kommt es zum Gesamtschuldnerausgleichs (Abs. 4 i.V.m. Abs. 1) und zur Haftungsabwägung zwischen den verschiedenen Schädigern (Abs. 4 i.V.m. Abs. 2). In beiden Fallkonstellationen schließlich kommt nach Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 sieht der Haftungsausschluss bei Vorliegen eines unabwendbaren Ereignisses zum Tragen.
Rz. 267
Die damit gebotene Abwägung der Haftungsanteile erfolgt nach § 17 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 StVG denselben oben genannten Voraussetzungen und Erwägungen. Namentlich mit der Einführung der selbstständigen Gefährdungshaftung für Anhänger in § 7 Abs. 1 StVG und der entsprechend ergänzten Vorschrift des § 17 StVG durch das Schadensrechtsänderungsgesetz vom 19.7.2002 ist allein die Position der Geschädigten im Außenverhältnis verbessert, im Hinblick auf das Innenverhältnis zwischen dem Halter eines Kraftfahrzeugs und demjenigen des angekoppelten Anhängers, die eine Betriebseinheit bilden, aber keine Änderung der bisherigen Rechtslage herbeigeführt worden.
Rz. 268
§ 17 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 StVG dehnt den Anwendungsbereich des Entlastungsbeweises auf die Konstellationen aus, in denen die Beteiligten einer Gefährdungshaftung unterliegen. So ist die Haftung für ein unabwendbares Ereignis auch bei Unfällen zwischen einem Kraftfahrzeug und einem Anhänger (für den ebenfalls nach § 7 Abs. 1 StVG gehaftet wird), zwischen einem Kraftfahrzeug und einem Tier (für das nach §§ 833, 834 BGB gehaftet wird) und zwischen einem Kraftfahrzeug und einer Eisenbahn (für die nach § 1 Abs. 1 HaftPflG gehaftet wird) ausgeschlossen. Umgekehrt besteht auch für den Betreiber einer Eisenbahn, die im Verkehrsraum einer öffentlichen Straße betrieben wird, der Entlastungsbeweis des unabwendbaren Ereignisses gemäß § 13 Abs. 3 HaftPflG.
Rz. 269
Der Nachweis der Unabwendbarkeit ist gemäß § 17 Abs. 4 StVG mithin auch möglich bei Unfällen zwischen einem Kraftfahrzeug und einem Tier. Die spezifische Tiergefahr hat sich realisiert, wenn der Schaden auf der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens und der dadurch hervorgerufenen Gefährdung beruht. Dies ist auch der Fall, wenn ein Tier ausbricht und ein Verkehrshindernis bildet. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Tier unmittelbar vor dem Verkehrsteilnehmer auf die Straße läuft oder ob es bereits vorher auf der Straße war. Die Realisierung der Tiergefahr liegt gerade darin begründet, dass das Tier ausgerissen ist und sich eigenmächtig ohne Rücksicht auf den Verkehr auf die Fahrbahn begeben hat. Nicht dagegen, wenn das Tier durch einen Menschen zu seiner Handlungsweise veranlasst wird. In diesen Fällen ist nicht das Verhalten des Tieres, sondern die Handlungsweise des Menschen entscheidend. Es gelten insoweit die gleichen Gesichtspunkte wie bei der Tierhalterhaftung. Infrage kommen insbesondere die nachts in den Wagen hineinlaufenden Rehe und anderes Wild. Ein allgemeiner Grundsatz des Inhalts, dass die Betriebsgefahr eines Kfz ganz in den Hintergrund tritt, wenn es während einer Nachtfahrt zu einer Kollision mit einem plötzlich in die Fahrbahn springenden Tier kommt, ist nicht anzuerkennen. Soweit Warnschilder auf das Wechseln von Wild, insbesondere auf der Autobahn, hinweisen, muss der Kraftfahrer sein Verhalten darauf einrichten. Es kann nur von einem unabwendbaren Ereignis gesprochen werden, wenn trotz äußerster Vorsicht der Unfall nicht zu vermeiden war. Grundsätzlich aber sind auch hier an den Nachweis eines unabwendbaren Ereignisses strenge Anforderungen zu stellen, auch bei Fehlen entsprechender Warnschilder. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalles.
Rz. 270
Zu den Anforderungen an den Nachweis eines unabwendbaren Ereignisses bei Wildunfällen ist entschieden, dass der Entlastungsnachweis nur dann, wenn ein Tier auch bei aufmerksamster Beobachtung auch des angrenzenden Geländes – erst recht bei Existenz des Zeichens 142 zur StVO: "Wildwechsel" – nicht zu erkennen war und aus kurzer Entfernung plötzlich in die Fahrbahn läuft, in Betracht, kommt.