Dr. iur. Frank Fad, Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 216
Die Haftung des Kraftfahrzeughalters nach § 7 Abs. 1 StVG und des Kraftfahrzeugführers nach § 18 Abs. 1 StVG bezieht sich seit Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19.7.2002 mit Wirkung vom 1.8.2002 auch auf die Insassen des Fahrzeugs, unabhängig davon, ob sie entgeltlich oder unentgeltlich befördert werden. Ausgenommen von der Haftung ist nur noch der Halter selbst und die in § 8 Nr. 2 StVG genannten Personen.
Rz. 217
Die bis zum 1.8.2002 geltende Fassung des § 8a StVG schloss die in einem Kraftfahrzeug unentgeltlich, nicht geschäftsmäßig beförderten Mitfahrer von Gefährdungshaftungsansprüchen nach § 7 StVG aus. Dieser Ausschluss konnte nur aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift erklärt werden: Das Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen aus dem Jahr 1909 sah zunächst überhaupt keine Haftung für Insassen vor. Im Jahr 1939 wurde dann die Gefährdungshaftung auf Insassen ausgedehnt, die im öffentlichen Verkehr befördert wurden, und 1957 schließlich auf entgeltlich und geschäftsmäßig Beförderte. Unentgeltlich und nicht geschäftsmäßig beförderten Insassen standen jedoch bis zum 1.8.2002 außerhalb des Schutzes der Gefährdungshaftung des StVG, obwohl die Gefährdungshaftung des Bahnbetriebsunternehmers nach dem Haftpflichtgesetz und des Luftfrachtführers nach dem Luftverkehrsgesetz solche Einschränkungen der Insassenhaftung nicht kennen. Die Halterhaftung war gewissermaßen das Äquivalent für die Entgeltlichkeit und Geschäftsmäßigkeit der Personenbeförderung.
Rz. 218
Der Regelungsgehalt des geltenden § 8a StVG ist darauf ausgerichtet, rechtsgeschäftliche Haftungsbeschränkungen bei entgeltlicher, geschäftsmäßiger Personenbeförderung für Personenschäden auszuschließen. Eine gleichwohl vorgenommene Haftungsbeschränkung ist gemäß § 134 BGB unwirksam. Außerhalb der entgeltlichen und geschäftsmäßigen Personenbeförderung ist die Vereinbarung eines Haftungsausschlusses nach wie vor zulässig.
Rz. 219
Ein Haftungsausschluss hinsichtlich der beförderten Personen ist unwirksam, soweit es sich um eine entgeltliche, geschäftsmäßige Personenbeförderung handelt. Die Begriffe Entgeltlichkeit und Geschäftsmäßigkeit sind i.S.d. Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) zu verstehen.
Rz. 220
Das Merkmal der Entgeltlichkeit ist weit auszulegen. Entgeltlichkeit liegt nicht nur vor, wenn für die Fahrt ein Fahrgeld entrichtet wird, sondern auch dann, wenn wirtschaftliche Vorteile erstrebt werden, die mittelbar auf eine durch diese Weise geförderte Erwerbstätigkeit abgestellt sind. Der Begriff der Entgeltlichkeit i.S. des § 8a StVG ist weit auszulegen. Es genügt jedweder auch nur mittelbar erstrebte wirtschaftliche Vorteil Dabei kommt es nicht zwangsläufig auf die Interessenlage des Halters oder Fahrers an, sondern auf die Interessenlage dessen, der die Personenbeförderung übernommen hat. Im Vordergrund steht das wirtschaftliche Interesse des Beförderers, das eine unabdingbare Gefährdungshaftung zumutbar erscheinen lässt. Dieses braucht nicht nur auf Geld gerichtet zu sein, kann auch in Dienst- oder Arbeitsleistungen bestehen, ebenso an der Förderung und dem Ausbau wirtschaftlicher Verbindungen. Gefälligkeitsfahrten werden zwar in der Regel unentgeltlich sein, können aber ausnahmsweise wegen eines wirtschaftlichen Hintergrunds entgeltlich sein. Entgeltlich können daher sein: Zubringerdienste zum Flughafen, Hotel usw., Beförderung von Fahrschülern, Beförderung von Werbekolonnen, Krankentransporte in krankenhauseigenen Fahrzeugen. Keine Entgeltlichkeit liegt bei Betriebsausflügen mit betriebseigenen Kraftfahrzeugen vor, ebenso ist keine Entgeltlichkeit gegeben, wenn sich die Mitfahrer lediglich an den Benzinkosten beteiligen; anders kann es sein, wenn alle Betriebskosten umgelegt werden.
Rz. 221
Geschäftsmäßig ist die Personenbeförderung, wenn der Unternehmer beabsichtigt, sie in gleicher Art zu wiederholen und dadurch zu einem dauernden oder wenigstens zu einem wiederkehrenden Bestandteil seiner Beschäftigung zu machen. Mietet z.B. eine Konzertagentur ein Kfz an, um die von ihr betreuten Musiker befördern zu können, so ist nach der Interessenlage der Agentur (Beförderer) zu entscheiden, ob eine entgeltliche und geschäftsmäßige Personenbeförderung vorliegt. Der Beförderer muss das Entgelt fordern bzw. vereinbaren und bei ihm muss die Absicht der Wiederholung derartiger entgeltlicher Personenbeförderungen bestehen. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Halter nur dann haftet, wenn gerade er derjenige ist, der die Personenbeförderung, und zwar entgeltlich und geschäftsmäßig, übernommen hat. Es genügt vielmehr, dass es sich überhaupt um eine entgeltliche und geschäftsmäßige Personenbeförderung handelt, dass also, wer immer die Beförderung übernommen hat, diese entgeltlich und geschäftsmäßig betreibt.
Rz. 222
Die Haftung des Halters ist also nicht davon abhängig, dass es sich für ihn um einen entgeltlichen und geschäftsmäßigen Vo...