Rz. 104

BGH, Urt. v. 25.9.2018 – VI ZR 65/18, VersR 2019, 120

Zitat

BGB § 249 Abs. 2, § 254 Abs. 2

1. Bei fiktiver Abrechnung der Reparaturkosten muss sich der Geschädigte, der mühelos eine ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf diese verweisen lassen.

2. Dies gilt auch dann, wenn der Reparaturkostenkalkulation des von ihm beauftragten Sachverständigen bereits mittlere ortsüblicher Sätze nicht markengebundener Fachwerkstätten zugrunde liegen. Es kann keinen Unterschied machen, ob im Privatgutachten von durchschnittlichen regionalen Stundenverrechnungssätzen markengebundener oder freier Fachwerkstätten ausgegangen worden ist.

3. Die Frage der "Ersatzfähigkeit der UPE-Aufschläge" entscheidet sich nach den allgemeinen Grundsätzen zur Ersatzfähigkeit von Reparaturkosten.

a) Der Fall

 

Rz. 105

Der Kläger nahm den beklagten Haftpflichtversicherer auf Ersatz restlichen Sachschadens aus einem Verkehrsunfall vom 15.3.2015 in Anspruch, bei dem sein Fahrzeug, ein zum Unfallzeitpunkt knapp fünf Jahre alter Fiat Punto, beschädigt wurde. Die alleinige Haftung der Beklagten war dem Grunde nach unstreitig. Der Kläger begehrte im Rahmen einer fiktiven Abrechnung seines Fahrzeugschadens auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Privatgutachtens den Ersatz von Reparaturkosten. Der Privatsachverständige legte in seinem Gutachten die Stundenverrechnungssätze einer ortsansässigen, nicht markengebundenen Fachwerkstatt in S. zugrunde und bezifferte den Stundensatz mit netto 103,75 EUR. Die von ihm angesetzten Kosten für die notwendigen Ersatzteile enthielten einen 10%igen UPE-Aufschlag (Aufschlag auf die unverbindliche Preisempfehlung). Die Beklagte kürzte im Rahmen der vorgerichtlichen Schadensregulierung die im Privatgutachten ausgewiesenen Stundensätze unter Bezugnahme auf die Referenzwerkstatt T. in H. mit einer Entfernung zum Anspruchsteller von 6,1 km auf netto 95 EUR und lehnte den Ersatz für die UPE-Aufschläge ab. Im Streit stand noch der Differenzbetrag von 221,96 EUR.

 

Rz. 106

Das Amtsgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, nach welchem die im Privatgutachten aufgeführten Stundenverrechnungssätze im Rahmen mittlerer ortsüblicher Stundensätze lagen, die Beklagte unter Zugrundelegung der im Privatgutachten angesetzten Stundenverrechnungssätze und UPE-Aufschläge insoweit zur Zahlung verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage in Höhe von 221,96 EUR wegen zutreffender vorgerichtlicher Kürzung der Lohnkosten und fehlender Erstattungsfähigkeit der UPE-Aufschläge abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Schadensersatzbegehren weiter.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 107

Die Revision wandte sich ohne Erfolg gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Kürzung der vom Kläger geltend gemachten fiktiven Reparaturkosten.

Nach der Rechtsprechung des Senats besteht in der Regel ein Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob der Geschädigte das Fahrzeug tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt. Ziel des Schadensersatzes ist die Totalreparation und der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen sowohl in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung als auch in der Verwendung des vom Schädiger zu leistenden Schadensersatzes frei. Allerdings ist der Geschädigte nach dem in § 249 Abs. 2 S. 1 BGB verankerten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Begehrt er den Ersatz fiktiver Reparaturkosten, genügt es im Allgemeinen, dass er den Schaden auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens berechnet, sofern das Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden. Gleichwohl muss sich der Geschädigte, der mühelos eine ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf diese verweisen lassen. So entspricht es der gefestigten Rechtsprechung des Senats, dass sich der Geschädigte auf die günstigere Reparatur in einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen freien Fachwerkstatt verweisen lassen muss, wenn der Schädiger darlegt und ggf. beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn er ggf. vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen.

 

Rz. 108

Der Tatrichter ist bei seiner Überzeugungsbildung im Rahmen des § 254 A...

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