Dr. Julia Bettina Onderka, Dr. Michael Pießkalla
Rz. 4
Der erste Abschnitt der verwaltungsrechtlichen Tätigkeiten des Anwaltes ist das Stadium des Verwaltungsverfahrens. Dieses endet mit dem Erlass eines Verwaltungsaktes durch die Behörde. Im Verkehrsverwaltungsrecht stellt etwa die Nichterteilung einer Fahrerlaubnis oder deren Entziehung einen solchen Verwaltungsakt dar.
Im Bereich der Fahreignungsbegutachtung herrscht die Besonderheit vor, dass die Begutachtungsanordnung selbst keine Verwaltungsaktqualität aufweist, d.h. der Erlass einer ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Begutachtungsanordnung schließt das Verwaltungsverfahren noch nicht ab, sondern ist lediglich als sog. "vorbereitendes Verwaltungshandeln" im Sinne des § 44a VwGO zu werten. Das Verwaltungsverfahren endet typischer Weise erst, wenn aufgrund der Nichtvorlage eines Gutachtens oder aufgrund dessen Inhaltes ein Verwaltungsakt erlassen wird (z.B. Entziehung der Fahrerlaubnis). Ebenfalls abgeschlossen wird das Verwaltungsverfahren dadurch, dass die Behörde – nach Vorlage eines Gutachtens, welches die Eignungszweifel ausgeräumt hat – von weiteren Maßnahmen absieht.
Rz. 5
Beispiel
Mandant M, der Inhaber der Fahrerlaubnis Klasse B ist, sucht Anwalt A auf, weil die zuständige Fahrerlaubnisbehörde Zweifel an seiner Fahreignung geltend gemacht hat. Grund hierfür soll der gelegentliche Genuss von Cannabis sein, den A im Rahmen einer polizeilichen Verkehrskontrolle eingeräumt haben soll. Die Behörde fordert A daher zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Fahreignung auf.
A nimmt Akteneinsicht, wobei sich ergibt, dass A zu keinem Zeitpunkt unter Cannabiseinfluss am Straßenverkehr teilgenommen hat. Die Äußerung des Mandanten gegenüber der Polizei bezog sich eindeutig auf gelegentlichen Konsum ohne Zusammenhang zum Straßenverkehr.
A gibt für seinen Mandanten eine entsprechende Stellungnahme ab und führt aus, dass gelegentlicher Konsum von Cannabis ohne Zusammenhang zum Straßenverkehr keine Eignungszweifel begründe und daher auch kein Anlass für eine MPU-Begutachtung sei. Die Behörde nimmt von der Begutachtungsanordnung Abstand.
A kann gegenüber dem Mandanten folgende Gebühren abrechnen:
1. 1,3-Geschäftsgebühr, VV 2300 |
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aus 5.000 EUR |
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434,20 EUR |
2. Auslagenpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
Zwischensumme |
454,20 EUR |
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3. Umsatzsteuer, VV 7008 |
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86,30 EUR |
Gesamt |
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540,50 EUR |
Rz. 6
Nach Ziffer 46.3 des Streitwertkataloges des Bundesverwaltungsgerichts beträgt der Gegenstandswert einer Fahrerlaubnis der Klasse B 5.000 EUR. Dass es im konkreten Fall (noch) nicht um eine Entziehung, sondern um eine Begutachtungsanordnung ging, spielt keine Rolle. Denn die Nichtbefolgung einer Begutachtungsanordnung führt im Regelfall zur Entziehung (§ 11 Abs. 8 FeV), das für die Berechnung der Anwaltsgebühren maßgebliche Interesse ist somit identisch. A kann zudem seine Gebühren aus dem Gebührenrahmen der Nr. 2300 VV RVG nach billigem Ermessen bestimmen.
Rz. 7
Eine Erstattung der anwaltlichen Gebühren des Verwaltungsverfahrens findet nicht statt, das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes (§ 80 VwVfG) und der Länder (z.B. Art. 80 BayVwVfG) sehen insoweit keine Erstattungsvorschriften vor.
Rz. 8
Nicht immer hat das fahrerlaubnisrechtliche Verwaltungsverfahren eine vom Anwalt zu prüfende bzw. abzuwendende Fahreignungsbegutachtung zum Gegenstand. Die Fahrerlaubnisverordnung (FeV) sieht vielmehr vor, dass in Fällen, in denen die fehlende Eignung zur Überzeugung der Behörde bereits feststeht, unmittelbar die Fahrerlaubnis zu entziehen ist. Auch hier rechnet der Anwalt zunächst die Gebühren nach Teil 2 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG ab.
Rz. 9
Beispiel
Mandant M, der Inhaber einer Fahrerlaubnis Klasse B ist, wird in einer Diskothek von der Polizei kontrolliert. Die Beamten finden in seiner Hosentasche 0,5g Kokain. M räumt im Rahmen seiner Befragung ein, gelegentlich Kokain zu konsumieren. Die Polizei meldet den Vorfall kurze Zeit später der Fahrerlaubnisbehörde, welche M ankündigt, die Fahrerlaubnis wegen dieses Konsums zu entziehen. M erhält Gelegenheit zur Stellungnahme und zum Verzicht auf die Fahrerlaubnis.
M sucht seinen Rechtsanwalt A auf. A berät ihn ausführlich zur Rechtslage und beantragt Akteneinsicht bei der Behörde. M möchte entgegen dem Rat seines Anwaltes keinen Verzicht erklären. Die Behörde entzieht daraufhin die Fahrerlaubnis.
A kann gegenüber dem Mandanten folgende Gebühren abrechnen:
1. 1,3-Geschäftsgebühr, VV 2300 |
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aus 5.000 EUR |
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434,20 EUR |
2. Auslagenpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
Zwischensumme |
454,20 EUR |
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3. Umsatzsteuer, VV 7008 |
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86,30 EUR |
Gesamt |
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540,50 EUR |